: Doppelspitze für Thyssen-Krupp
Thyssen-Chef Vogel scheint aus dem Rennen um die Führung des neuen Stahlgiganten zu sein ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Die Schlacht um die Führung des geplanten Mammutkonzerns Thyssen-Krupp scheint geschlagen. Nach der Fusion soll der Konzern offenbar von einer Doppelspitze geführt werden, der Krupp-Konzernchef Gerhard Cromme und der Chef der schon fusionierten Thyssen-Krupp Stahl AG, Ekkehard Schulz, angehören. Schulz kommt ursprünglich von Thyssen.
Verlierer des monatelangen Pokerspiels wäre damit der amtierende Thyssen-Konzernchef Dieter Vogel. Über dessen Zukunft als Topmanager schwebt wie eine Art Damoklesschwert seit langem ein Strafverfahren, das die Berliner Staatsanwaltschaft betreibt. Gegen Vogel liegt ein Haftbefehl vor, er ist nur gegen 2,5 Millionen Mark Kaution auf freiem Fuß. Die Berliner Ermittler werfen Vogel und zwei weiteren Thyssen-Managern vor, bei der Abwicklung eines DDR-Metallunternehmens den Staat zugunsten einer Thyssen-Gesellschaft um 38 Millionen Mark betrogen zu haben.
Eigentlich hätte die Fusion abgeschlossen sein sollen. In einer gemeinsamen Presserklärung hatten die beiden Konzerne schon am 4. November die Fusion im Grundsatz verkündet und die Klärung der noch „offenen Punkte bis Ende November“ versprochen.
Doch es kam anders. Scharfe Auseinandersetzungen gab es vor allem innerhalb des Thyssen-Lagers. In der Ausichtsratssitzung am 19. Dezember soll es zwischen Vogel und Aufsichtsratschef Heinz Kriwet geknallt haben. Von „erbitterten Auseinandersetzungen“ und einer „Spaltung“ des Gremiums war danach die Rede. Vogel, Herr des größeren der beiden Stahlkonzerne, hatte immer die Übernahme von Krupp im Sinn. Kriwet war dagegen auch offen für eine Verschmelzungslösung, auf die die Krupp-Seite setzte. Jetzt scheint alles auf eine Neugründung hinauszulaufen, das wäre ähnlich wie eine Verschmelzung.
Vor allem für die Arbeitnehmervertreter und die IG Metall wird diese Lösung schwierig. Während der Krupp-Konzern nur den normalen Mitbestimmungspflichten unterliegt, gilt im gesamten Thyssen-Konzern die viel weiter gehende Montanmitbestimmung. Eine Übernahme von Krupp durch Thyssen hätte diesen Zustand bewahrt. Deshalb stritten auch die Thyssen-Betriebsräte bisher an Vogels Seite. Auch gestern machte der Thyssen-Konzern-Betriebsratsvorsitzende Dieter Kroll gegenüber der taz deutlich, daß aus Sicht der Arbeitnehmer „die Fusion nur läuft, wenn die Montanmitbestimmung kommt und es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt“. Auch der Krupp- Konzernbetriebsrat unterstütze diese Forderungen. Kroll wörtlich: „Da herrscht zwischen uns der absolute Gleichklang“.
Bezüglich der Personalfrage stellt sich die Lage allerdings anders dar. Während die Krupp-Betriebsräte ihren Frieden mit Cromme als Chef gemacht haben, spricht Kroll weiter von „starken Vorbehalten“ gegen den Krupp- Boß. Nach dessen gescheitertem Versuch, sich Thyssen im Rahmen einer feindlichen Übernahme einzuverleiben, habe die „Thyssen- Belegschaft mit Cromme ein Problem“. Die Anteilseigner müßten sich überlegen, ob sie „eine Fusion gegen die Arbeitnehmer wollen“. Eine Doppelspitze kann nach Krolls Einschätzung „nicht funktionieren“, weil im Konfliktfall „Entscheidungblockaden drohen“. Nötig sei an der Spitze eine einzelne „Integrationsfigur“.
Weiterhin unklar sind auch die Beteiligungsverhältnisse. Berthold Beitz, eine Art Gottvater im Krupp-Imperium und Vorsitzender der Krupp-Stiftung, die 51% an Krupp hält – weitere 23% besitzt der Iran –, strebt ein Umtauschverhältnis an, das ihm zusammen mit dem Iran mindestens eine Sperrminorität von 25% in der neuen Gesellschaft sichert. Ein Kapitalanteil, den die Thyssen- Leute angesichts des Wertes von Krupp für unangemessen halten. Zöge Cromme in die neue Chefetage ein – Beitz: „Ich halte ihn für einen erstklassigen Mann“ –, dürfte der Deal an diesem Streit aber wohl nicht mehr scheitern.
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