: Bus für Bus vom Markt gefegt
Die EU will den Nahverkehr liberalisieren, deutsche Bus- und Bahnbetreiber sind kaum konkurrenzfähig. Die Verkehrsverbunde drohen zu platzen ■ Aus Bremen Joachim Fahrun
Bremen (taz) – Die deutschen Nahverkehrsbetriebe steuern auf heftige Turbulenzen zu. Weltweit formieren sich finanzkräftige Angreifer auf die regionalen De-Facto-Monopole der kommunalen Bus- und Bahnfirmen. Denn die EU will nun auch den Nahverkehr für den internationalen Wettbewerb öffnen. Einzelne Strecken eines Nahverkehrsnetzes müßten dann europaweit ausgeschrieben werden. Viele deutsche Unternehmen fürchten um ihre Existenz.
Bei einer Konferenz in Bremen trafen sich die Arbeitsdirektoren der Verkehrsbetriebe aus ganz Deutschland, um Gegenstrategien zu verabreden. Hohe Sozialleistungen, teure neue Fahrzeuge und aufwendige Planungsdienste für die Kommunen treiben ihre Kosten in die Höhe. „Im freien Wettbewerb“, sagt Hubert Resch, Arbeitsdirektor der Bremer Straßenbahn AG, „holen uns die Konkurrenten schon mit ihren Vorteilen bei den Lohnkosten Linie für Linie vom Markt.“ Konzessionen laufen für Buslinien in der Regel acht, für Bahnlinien 30 Jahre. Bisher wurden sie stets in einer Art Gewohnheitsrecht verlängert. Damit ist es nun vorbei. Selbst mühsam gezimmerte Verkehrsverbünde in den Ballungsräumen droht nun wieder der Zerfall.
Von ihren Anteilseignern, den Städten, erwarten die öffentlichen Betriebe künftig wenig Schützenhilfe. Zwar könnten die Städte mit der Vergabe der Konzessionen bestimmte Taktzeiten, Niedrigflurbusse, beleuchtete Wartehäuschen oder andere Qualitätsstandards festschreiben und so für fairen Wettbewerb sorgen, sagt der Arbeitsdirektor der Stuttgarter Straßenbahnen AG, Reinhold Bauer. Die Städte müßten diesen hohen Standard aber letztlich mit höheren Subventionen ausgleichen. „Wenn die Ausländer das für ein paar Millionen weniger machen, werden die Kämmerer schwach.“
Die ÖPNV-Unternehmen wollen nun versuchen, über ihren europäischen Arbeitgeberverband gemeinsam mit dem europäischen Gewerkschaftsbund Mindeststandards festzuzurren. Wie aber die Unterschiede von Lissabon bis Helsinki unter einen Hut zu bringen sind, ist völlig unklar – das deutsche Sozialniveau ist da keineswegs konsensfähig. So schreiben die Franzosen nur 33 Stunden wöchentliche Mindestruhezeit für Busfahrer vor, die öffentlichen deutschen Betriebe 45. Für den Bremer Arbeitsdirektor Hubert Resch ist deshalb klar, daß die deutschen Sozialrichtlinien runter müssen, um „überhaupt vernünftige Standards zu setzen“.
Im Sommer will Brüssel konkrete Vorschläge für einen rechtlichen Rahmen der Liberalisierung vorlegen. In anderen europäischen Ländern wie Dänemark, Großbritannien oder Belgien sind ausländische Bus- und Bahnbetreiber bereits üblich. Der deutsche Markt weckt Begehrlichkeiten: Auf 30 Milliarden Mark wird der jährliche Umsatz des ÖPNV in Deutschland geschätzt. Allerdings fällt dabei ein Defizit von rund zehn Milliarden Mark an, das die Kommunen ausgleichen müssen.
Weil sie ein Verlustgeschäft betreiben, fühlten sich die städtischen Transporteure vor Konkurrenz sicher. Jetzt verlangt die EU jedoch, daß die Kommunen für die politisch gewünschte, aber defizitäre Buslinie in den Außenbezirk auch direkte Ausgleichszahlungen leisten. So wird der Betrieb auch für Neueinsteiger interessant. Die ausländischen Wettbewerber haben schon einen Fuß in der Tür. So hat der französische Wassermonopolist Generale des Eaux sich bei der Deutschen Eisenbahn Gesellschaft (DEG) eingekauft, die mehrere Privatbahnen in Deutschland betreibt. Auch die schwedische Linje-Bus, die bereits in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen Buslinien betreibt, hat sich in ein hessisches Busunternehmen eingekauft und wartet auf den Startschuß für den internationalen Wettbewerb.
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