Ein Halleluja für den Affenbrotbaum

Der Herrscher des westafrikanischen Togo, Gnassingbe Eyadema, pflegt das ideologische Erbe seines toten Freundes Mobutu. Aber bald will er sich wählen lassen, und vor allem Deutschland drängt auf saubere Wahlen  ■ Aus Lomé François Misser

Gibt es Reisende, die sich auf politische Paläontologie spezialisieren, man sollte ihnen Togo empfehlen. Zwischen den offiziellen Reden auf einer internationalen Konferenz im Kongreßzentrum der Hauptstadt Lomé tanzen und singen Aktivistinnen und Aktivisten der Regierungspartei RPT in Gewändern, die mit Abbildern des Präsidenten Gnassingbe Eyadema geschmückt sind. Bevor Eyadema selbst – genannt der Baobab (Affenbrotbaum) aufgrund seiner imposanten Statur – das Wort ergreift, erklingt aus den Mündern seiner Jünger der Halleluja-Chor aus Händels „Messias“.

Diese liturgischen Politfeste in Togo gleichen jenen, die im ehemaligen Zaire unter Mobutu Sese Seko zu dessen Glanzzeiten aufgeführt wurden. Damals begannen in Zaire die Fernsehnachrichten immer mit einem Mobutu, der von den Wolken auf die Erde niederschwebte. Als die RPT in Togo ab 1972 nordkoreanische Techniken der Massenanimation mit afrikanischer Choreographie einführte, entsandte Mobutu Animationsexperten. Wie in Zaire wurden auch in Togo ab 1973 christliche Vornamen verboten.

Der Unterschied: Zaire gibt es nicht mehr. Togo gibt es noch. Eyadema hat die Demokratisierungsversuche in den früheren 90er Jahren überstanden und seit 1996 eben auch die alten Ehrerbietungen wieder eingeführt. Seine Bewunderung für den toten Mobutu ist ungebrochen, die geringste Kritik daran produziert bei seinen Anhängern allergische Reaktionen. Ein britischer Europaabgeordneter, der sich hörbar darüber Gedanken macht, wird sofort von Kokoh Koffigoh, Vorsitzendem des außenpolitischen Ausschusses im togoischen Parlament, zurechtgewiesen: „Wo sind Mobutus Schlösser? In welchen Banken liegt sein Geld? Bei euch in Europa! Also laßt uns in Ruhe!“

Ebenso wie Mobutu gerne von zairischen Sängern flämische Volkslieder zu Ehren der alten Kolonialmacht Belgien verlangte, hat auch Togo eine merkwürdige Beziehung zu seinem ersten Kolonisator: Deutschland. Um die ausländischen Besucher zu amüsieren, holt Eyadema während des Galadiners eine bayerische Blaskapelle auf die Bühne, mit Filzhüten, Lederhosen und Dirndln. Zu Eyademas Freunden zählte schließlich nicht nur Mobutu, sondern auch Franz Josef Strauß.

Vielleicht ist das auch bewußte Nostalgie seitens des togoischen Präsidenten, denn mit der deutschen Bundesregierung kommt Eyadema heute nicht mehr so gut aus wie früher. Seitdem Togos Armee Anfang 1993 Demonstrationen gegen das Regime zusammenschoß und die Entwicklungshilfe eingestellt wurde, kehrt Deutschland Togo den Rücken zu. Mit den Blaskapellen will Eyadema eher den Togolesen weismachen, daß er in Deutschland noch ein wenig Beliebtheit genieße.

Die deutsche Botschaft in Lomé nimmt gegenüber Eyadema eine dezidiert kritische Position ein. Als im Oktober Abgeordnete des Europaparlaments zu einem Treffen mit afrikanischen Partnern in Lomé weilten, organisierte die Botschaft für sie ein kontroverses Treffen mit togoischen Regimegegnern, darunter Yaovi Agboyibor, Präsident der Oppositionspartei „Aktionskomitee für Erneuerung“ (CAR), die im Parlament fast genauso viele Abgeordnete wie die RPT stellt.

Für Agboyibor sind die Massenanimationen, mit denen Eyadema Eindruck schinden will, gar keine Folklore. „Das ersetzt eine ganze Rede über die Wirklichkeit in diesem Land. Man versteht damit, daß Eyadema sich nicht verändert hat, daß er sich weigert, demokratische Grundsätze zu akzeptieren, und daß er seit dreißig Jahren dieselben Praktiken benutzt.“

Auch bei den für Mitte 1998 programmierten Wahlen in Togo fürchtet Agboyibor, daß Eyadema vor allem seine „gefälschte Mehrheit“ bewahren will, die seine Partei RPT seit Nachwahlen im August 1996 im Parlament hat. Es würden, so Agboyibor, diesmal „gefälschte Wahlen“ folgen.

Doch die CAR will es Eyadema so schwer wie möglich machen. „Wir werden die Wahl nicht boykottieren, auch wenn die Regierung das gerne hätte“, sagt ein CAR-Führer. Die CAR sitzt zusammen mit anderen Oppositionsgruppen in der paritätisch besetzten Wahlkommission, von deren acht Mitgliedern – vier vom Regierungslager, vier von der Opposition – sechs am 26. Dezember ihren Eid ablegten. Zwei Vertreter kleinerer Oppositionsparteien blieben der Zeremonie wegen Formfehlern fern, wollen jetzt jedoch trotzdem mitarbeiten und ihren Eid nachholen.

Optimistisch ist die Opposition nicht. Edem Kodjo, ehemaliger Generalsekretär der Organisation für Afrikanische Einheit (PAU) und heute Führer der kleinen Oppositionspartei „Togoische Union für die Demokratie“ (UTD), meint, daß Eyadema zu allem entschlossen sei, um die Wahl nicht zu verlieren. Da gebe es Unterschiede zwischen Eyadema und Mobutu, sagt ein UTD-Mitglied: „Man muß anerkennen, daß er (Eyadema) sich mit besseren Leuten umgeben hat.“ Agboyibors CAR hoffe, daß Eyadema auf internationalen Druck transparente Wahlen zulassen werde – aber man solle sich lieber auf einen langen Kampf vorbereiten.

Der internationale Druck auf Togo ist beachtlich. Das Europaparlament beschloß im November, daß die seit 1993 eingefrorene EU- Hilfe für Togo erst nach „transparenten und gerechten Wahlen“ wiederaufgenommen werden solle. Deutschlands harte Linie scheint sich auszuzahlen: Die zwei Soldaten, die im März 1996 den deutschen Botschaftsmitarbeiter Thomas Ruprecht auf der Straße erschossen, wurden jetzt zu je zehn Jahren Haft verurteilt. Manche Oppositionelle sehen darin einen Präzedenzfall, der Verfahren gegen andere Militärs wegen Übergriffen ermöglichen könnte.

Doch aus Frankreich ist Irritation zu spüren. „Ich bin über die Doppelzüngigkeit der Deutschen besorgt“, sagt Yves Verwaerde, Europaparlamentarier der konservativen französischen Partei UDF. „Sie scheinen sich für die Nord- Süd-Zusammenarbeit immer weniger zu interessieren, weil sie die Ausgaben nach Osten verlagern wollen. Dafür brauchen sie einen Vorwand, zum Beispiel die Menschenrechtslage. Es braucht keinen Botschafter, um ein Treffen mit der Opposition zu veranstalten. Bis zum Beweis des Gegenteils trifft man in diesem Land die Opposition, wo man will und wann man will. Ich habe auch Oppositionsjournalisten getroffen. Ich sage Ihnen: Die Leute bei unserem Canard Enchaîné sind dagegen Chorknaben.“

Die Menschenrechtslage – ein Vorwand? Ein „Klima des Terrors“ in Vorbereitung auf die Wahlen konstatiert Norbert Tetevi, Generalsekretär des Dachverbandes unabhängiger Gewerkschaften in Togo. „Ein CAR-Mitglied wurde in der Nacht überfallen und verprügelt, und solche Fälle gibt es haufenweise“, sagt Tetevi. „Seit 1993 hat sich nur eines verändert: Davor war die Repression massiv. Jetzt ist sie zielgerichteter.“

Zu den Zielen zählt UTD-Führer Edem Kodjo, dessen Haus unlängst von 30 Gendarmen nach Waffen untersucht und auf den Kopf gestellt wurde – „reine Einschüchterung“, sagen seine Anhänger. Jean-Pierre Fabre, Generalsekretär der im Exil arbeitenden „Union der Kräfte für den Wandel“ (UFC), wurde tagelang in Haft gehalten, weil er Jugendliche in einem Krankenhaus dazu angestiftet habe, Fotoaufnahmen in der Leichenhalle zu machen.

In den letzten Monaten sind immer wieder Journalisten verhaftet und dann auf Erlaß Eyademas wieder freigelassen worden. Die meisten Journalisten schreiben unter Pseudonym, die Adressen von Zeitungsredaktionen und Druckereien bleiben geheim. Die Reichweite der unabhängigen Presse in Togo beschränkt sich ohenhin auf die Hauptstadt. Im Umland müssen selbst Zeitungsleser mit Schikanen rechnen.

„Verstehen Sie: Hier sind Journalisten Buschkämpfer“, flüstert ein Zeitungsverkäufer auf der Straße. „Und wir leiden auch. Wenn die Zeitungen Dinge berichten, die der Regierung nicht gefallen, nimmt man sie uns weg. Wenn wir nicht einverstanden sind, nimmt die Polizei uns gleich mit, verprügelt uns und behält uns ein oder zwei Tage. Und die Zeitungen bekommen wir nicht zurück.“