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Ende der Suharto-Ära so nah wie noch nie

Die indonesische Oppositionspolitikerin Megawati Sukarnoputri wirft Präsident Suharto den Fehdehandschuh hin. Seine Autorität schwindet täglich. Unter Druck muß seine Regierung von 15 Großprojekten Abstand nehmen  ■ Aus Jakarta Jutta Lietsch

„32 Jahre Herrschaft von Präsident Suharto sind genug!“, erklärte am Samstag abend die populäre Gegenspielerin des Staatschefs, Megawati Sukarnoputri, in einer aufsehenerregenden Rede. Sie sei bereit, „Führerin der Nation und des Landes zu werden, wenn dies der Wille und der Konsens des Volkes ist“, sagte sie bei einer Jubiläumsveranstaltung der „Demokratischen Partei“ (PDI). Die Tochter des Staatsgründers Sukarno warf der Regierung vor, für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich zu sein, die zu einem dramatischen Währungssturz und Panikkäufen der Bevölkerung geführt hat. Ursache der Krise sei die „grenzenlose Habgier“ der Mächtigen und ihr Versuch, „die Demokratie auszulöschen“.

Jakarta ist voller Spannung. Noch nie schien das Ende der Suharto-Ära so nahe. „Man muß nur auf die Hochhäuser, Luxus-Immobilien, Shoppingzentren und andere extravagante Projekte sehen“, sagte Megawati unter dem Beifall von Hunderten ihrer Anhänger, „die mit ausländischen Krediten finanziert wurden – blind und ohne Rücksicht auf die einfachen Leute, die dafür ohne angemessene Entschädigung vertrieben wurden.“ Damit warf die Fünfzigjährige, die vor eineinhalb Jahren mit Hilfe des Militärs von ihrem Posten als PDI-Vorsitzende gestürzt worden war, Suharto den Fehdehandschuh hin. Bislang hatte der Präsident jede öffentliche Diskussion über seine Nachfolge verhindert. Oppositionelle, die in den letzten Jahren seinen Rücktritt forderten, sitzen in Haft.

Bleich, im weißen Seidenkleid, las Megawati in der Abenddämmerung vor ihrem Haus im Süden Jakartas die mit Spannung erwartete Rede ab. Eine große Rednerin ist sie – anders als ihr berühmter Vater – gewiß nicht. Die Nervosität machte ihre Stimme noch monotoner. Dennoch wischten sich einige der Anwesenden bewegt die Tränen aus den Augen. „Wir haben so lange auf diesen Moment gewartet“, bebte ein Anhänger. Bis zuletzt war unklar, ob die Versammlung stattfinden konnte. Die Behörden hatten Megawati gewarnt, sie dürfe nur eine private Feier, aber keine politische Veranstaltung auf ihrem Grundstück organisieren. Nicht zufällig saß der norwegische Botschafter in der ersten Reihe – die Anwesenheit von Diplomaten sollte wohl einen Polizeieinsatz verhindern.

Zwar hat Megawati, die bei den Parlamentswahlen letztes Jahr nicht antreten durfte, in Wirklichkeit keine Chance, für die Präsidentschaft zu kandidieren. Denn Suharto hat sich ein System gezimmert, mit dem er Rivalen frühzeitig ausschalten kann: Die meisten Mitglieder der 1.000köpfigen „Volksversammlung“, die den neuen Staatschef im März nominieren muß, hat er selbst eingesetzt. Bislang haben es die Delegierten nie gewagt, einen Gegenkandidaten aufzustellen.

Seitdem der kränkelnde Suharto einen völlig unrealistischen Staatshaushalt vorlegte und die Währung wie ein Stein in den Keller fiel, zerbröckelt seine Autorität. Zeitungen wagen es, ihn offen anzugreifen. „Selbst die Minister machen sich schon über ihn lustig – vor laufender Kamera“, berichtet ein indonesischer Fotograf.

Sollte Suharto sich entschließen abzutreten, fürchten viele Indonesier allerdings ein Machtvakuum und blutige Unruhen. Unklar ist, wie das mächtige Militär reagiert. Obwohl es schon Putschgerüchte gab, scheint die gewaltsame Machtübernahme von Militärs unwahrscheinlich, heißt es. Doch soviel steht fest: Ohne die Armee im Rücken wird niemand an die Spitze des Staates mit seinen 200 Millionen Einwohnern gelangen.

Die Regierung versucht verzweifelt, die Lage zu beruhigen: „Wir haben genug Reis“, heißt die Parole nach den Panikkäufen der letzten Tage. In vielen Läden sind Speiseöl und Zucker ausverkauft, weil die Leute dramatische Preissteigerungen befürchten, wenn die Währung weiter fällt. Mit Bangen warten die Indonesier auf die nächsten Tage. Eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) traf gestern in Jakarta ein, um über die Wirtschaftsreformen zu verhandeln. Am Mittwoch kommt IWF-Chef Michel Camdessus persönlich.

Kredite über 40 Milliarden Dollar stehen auf dem Spiel, wenn Suharto sich weigert, mit den Privilegien und Monopolen aufzuräumen, an denen sich seine Familie und Freunde so bereichert haben. Auf 30 Milliarden Dollar wird allein das Vermögen der Suhartos geschätzt. Unter dem Druck hat der Präsident jetzt 15 Großprojekte gestrichen, an denen auch seine Kinder beteiligt waren. „Wir wissen immer noch nicht, ob er den Ernst der Lage wirklich erkannt hat“, sagt ein Berater Megawatis.

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