: Wismars Werft als Schnäppchen
Die supermoderne Meerestechnikwerft geht für 85 Millionen Mark an den Konzern Aker RGI aus Norwegen ■ Von Ulrike Fokken
Berlin (taz) – Kaum ist die Meerestechnikwerft Wismar (MTW) zur modernsten Werft Europas geworden, wird sie auch schon nach Norwegen verkauft. Der norwegische Mischkonzern Aker RGI hat gestern erwartungsgemäß den Zuschlag vom Kabinett Mecklenburg-Vorpommern bekommen. Die zweite derzeitige Eignerin, die Treuhandnachfolgerin BvS, hat ihrem Verwaltungsrat ebenfalls Aker RGI als einzigen Käufer vorgeschlagen. Der Rat wird darüber am 27. Januar entscheiden. Eine Zusage ist wahrscheinlich. Aker RGI hatte erst Anfang Dezember ein Angebot für MTW abgegeben. Nach einigem Hin und Her war der Konzern bereit, 85 Millionen Mark für die Ostseewerft zu zahlen und zugleich die Elbewerft Boizenburg für 5 Millionen Mark zu übernehmen. Damit hat Aker RGI in letzter Minute seinen Konkurrenten Ulltveit-Moe ausgestochen, der schon fast den Kaufvertrag unterzeichnet hatte, aber nicht soviel zahlen wollte.
Dabei ist der Kauf durchaus lohnend. Die MTW wurde in den vergangenen Jahren zu einer der modernsten Werften der Welt. Allein um das neuentstandene Trockendock, auf dem Schiffe bis zu 335 Meter Länge gebaut werden können, beneiden Werftarbeiter in Hamburg oder Kiel ihre Kollegen an der Ostsee. Das Dock ist Teil der Strategie „Kompaktwerft 2000“, die sich noch der Bremer Vulkan Verbund als früherer Eigentümer ausgedacht hatte. Nachdem der Vulkan 1996 in den Konkurs gegangen war, verstaatlichten die BvS und Mecklenburg-Vorpommern die Werft ebenso wie die Volkswerft Stralsund erneut. Das Konzept blieb jedoch erhalten. Um es umzusetzen, genehmigte die BvS noch einmal 598 Millionen Mark für Investitionen. Die dreistellige Millionensumme, die sie zuvor dem Vulkan überwiesen hatte, war verloren.
Aker RGI erhält mit der MTW auch deren Aufträge. 15 Container- und Tankschiffe im Wert von einer Milliarde Mark hat sich MTW gesichert. Die Werft ist damit bis zum Jahr 2000 ausgelastet. Die Norweger wollen dann nicht mehr nur Schiffe in Wismar bauen, sondern auch „stahlbauliche Arbeiten“ durchführen, wie ein MTW-Sprecher gestern sagte. Insbesondere interessieren sich die neuen Eigner für Offshore-Technik, also Ölplattformen.
Erst am Freitag hatte Aker RGI seinen breitgefächerten Konzern erweitert. Für eine ungenannte Summe kaufte Aker RGI das norwegische Explorationsunternehmen JSI. Die 50 JSI-Mitarbeiter finden weltweit Gas- und Erdölvorräte. Ansonsten betreibt Aker RGI noch diverse Bauunternehmen und zwei kleinere Werften in Norwegen, die alles zwischen Fischkuttern und Fähren bauen. Der Mischkonzern ist einer der größten Fischfänger und Verarbeiter Skandinaviens, an mehreren Immobilienunternehmen vor allem in den USA beteiligt und nebenbei noch Besitzer der Bekleidungsfirma Helly-Hansen.
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