: Arbeitslose protestieren weiter
Am zweiten Nationalen Aktionstag gehen in Frankreich erneut Tausende auf die Straße. Arbeitsministerin verfügt sofortige Zahlung aus Nothilfefonds ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Mit roten und grünen Fahnen, Rap-Musik, Knallern und Politikern aus den Regierungsparteien KPF und Grüne demonstrierten gestern Arbeitslose im nordfranzösischen Arras, wo vor vier Wochen ihre Bewegung begonnen hatte. „Ich kann nicht sieben Millionen Franzosen im Stich lassen“, begründete ein grüner Politiker seine Teilnahme. Am Ende der Demonstration besetzten ein paar hundert Menschen, die erst vor wenigen Tagen von der Polizei aus einem Arbeitsamt geräumt worden waren, mehrere leerstehende Häuser im Stadtzentrum. „Arbeitslose, Wohnungslose, Papierlose – ein Kampf“, skandierten sie dazu.
Gleichzeitig demonstrierten am gestrigen zweiten „Nationalen Aktionstag“ auch in 50 weiteren Städten Arbeitslose. Die zentrale Demonstration in Paris, die vom Arbeitsministerium zum Arbeitgeberverband CNPF führte, war mit an die 10.000 Teilnehmer doppelt so groß und entschieden besser organisiert als jene der Vorwoche. Die Polizei versuchte am Abend mit Tränengas mehrere hundert arbeitslose Demonstranten aus der von ihnen besetzten Börse zu vertreiben.
Unter anderem hatten die Gewerkschaften CGT und SUD auch in den Reihen ihrer beschäftigten Mitglieder mobilisiert. Am Demonstrationsschluß gelang es ein paar Dutzend Arbeitslosen, die Industrie- und Handelskammer zu besetzen. Dort sprachen sie von einem „zentralen Ort der Arbeitgeber“ und verwiesen darauf, daß „die Patrons eine vielfach höhere staatliche Unterstützung bekommen als die Arbeitslosen“.
Angesichts der stetig wachsenden Stärke der Bewegung ist die rot-rosa-grüne Regierung in Paris in die Defensive geraten. Premierminister Lionel Jospin rief gestern seine beiden linken Koalitionspartner zur „Regierungsdisziplin“ auf. Arbeitsministerin Martine Aubry kündigte derweil die Einrichtung eines Staatssekretariats für Städtefragen an, das sie künftig unterstützen soll. Ein Ministerium mit diesem Namen hatte die Regierung erst bei ihrem Amtsantritt im vergangenen Juni aus Gründen der Arbeitseffektivierung abgeschafft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen