piwik no script img

SPD-Genossenspiele bei der Preussag

■ Überstürzt übernahm Niedersachsen die Preussag Stahl AG. Die SPDler in der Chefetage ließen Wahlkämpfer Schröder dabei auflaufen

Hannover (taz) – Auf seinen SPD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Schultze ist Niedersachsen Ministerpräsident Gerhard Schröder derzeit nicht gut zu sprechen. Schultze sitzt nämlich nicht nur dem Wirtschaftsausschuß des Landtages vor, sondern ist auch Personalvorstand bei der Preussag AG. Und als Schröder und die Preussag am Freitag überstürzt die Übernahme der Mehrheit an der Stahltochter des Unternehmens durch das Land vereinbarten, fungierte Schultze sozusagen als Erpresser und Erpreßter in einer Person.

Auch Personalvorstand Schultze hatte die Hand gehoben, als der Preussag-Vorstand sich einstimmig für einen Verkauf der Preussag Stahl AG mit ihren zwölftausend Beschäftigten an die österreichische Voest Alpine aussprach, und damit den Wahlkämpfer Schröder Ende vergangener Woche gehörig unter Druck setzte. Als Chef des Wirtschaftsausschusses wird Schultze nun bald für die Übernahme der Preussag Stahl durch das Land stimmen müssen und wird dabei auf der Verliererseite sitzen.

In seiner Wahlkampfnot hat Gerhard Schröder am Freitag zwar dem Preussag-Chef Michael Frenzel die Übernahme von 51 Prozent der Preussag Stahl durch die landeseigene Hannoversche Beteiligungsgesellschaft und die zu 40 Prozent im Landesbesitz befindliche Nord/LB abhandeln können. Doch der Kaufpreis für das Aktienpaket im Wert von mindestens 600 Millionen Mark steht bis heute nicht fest. Er soll erst im nachhinein auf Grundlage eines Wertgutachtens bestimmt werden.

Auch Preussag-Chef Michael Frenzel ist wie sein Personalvorstand Schultze SPD-Genosse. Mitglied von Schröders Partei ist auch der Preussag-Aufsichtsratsvorsitzende und West-LB-Chef Friedel Neuber, dessen nordrhein-westfälische Bank mit einem 30-Prozent- Anteil der bestimmende Großaktionär bei Preussag ist. Selbst Schröders Wahlkampfmanager, der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Bodo Hombach, sitzt im Vorstand der für den Stahlhandel zuständigen Preussag-Handel GmbH. Doch vor dem hurtig ausgearbeiteten Vertrag mit Voest Alpine hatte Schröder keiner der Preussag-Genossen gewarnt, als ihm Frenzel am Donnerstag über den Vorstandsbeschluß informierte.

Noch am gleichen Tag machte der hannoversche IG-Metall-Bezirksleiter in einem Alarmbrief an die Staatskanzlei die Kampfbereitschaft der Preussag-Stahlwerker deutlich. Die zwölftausend hatten in den vergangenen Monaten schon mehrfach protestiert. Sie fürchteten, daß bei einem Verkauf der Preussag Stahl AG an einen der beiden Interessenten British Steel oder Voest Alpine die Arbeitsplätze stetig abgebaut würden. Bald nach einer Rede von Schröder auf einer Betriebsversammlung in Salzgitter hatte schließlich auch Preussag-Chef Frenzel dem Vorschlag des Ministerpräsidenten zugestimmt, die Aktienmehrheit der profitablen Stahl AG mit Unterstützung des Landes über die Börse zu verkaufen und so die Stahl-Tochter zu verselbständigen. Die Pläne, Preussag Stahl an einen ausländischen Konzern zu verkaufen, seien vom Tisch, verkündete Schröder daraufhin, in der stolzen Pose des Arbeitsplatzretters.

Die Aktienmehrheit an der Preussag-Stahl, die einst als NS- Staatsunternehmen gegründet wurde und später als Stahlwerke Peine-Salzgitter schon einmal selbständig war, will auch Schröder nicht auf Dauer im Landesbesitz belassen.

Allerdings trägt nach dem Kauf von 51 Prozent der Aktien nun das Land die finanziellen Risiken, die Lasten der Partnersuche und des Börsengangs, während die SPD- Genossen bei der Preussag schnell Kasse machen können. Auf Dauer verstaatlichen kann Schröder die Preussag-Stahl nicht, wie Wirtschaftsminister Günter Rexrodt bemerkte: Dem Land fehlen dafür schlicht die Haushaltsmittel. Jürgen Voges

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen