: Mieterverein wittert Mauschelei mit Investoren
■ Gilt Herbergsbetrieb als Wohnung? Bezirk Mitte nimmt Boarding-Häuser weiter hin
„Das riecht nach Mauschelei.“ – Einen „ausgeklügelten Kuhhandel“ mit den Investoren des Madison Hotels und des Hanse Clipper Hauses in der südlichen Neustadt werfen der Verein Mieter helfen Mietern und die GAL-Mitte dem Bezirksamt vor. Obwohl der Bebauungsplan die beiden Gebäude-Standorte (Schaarsteinweg bzw. Schaarmarkt) ausdrücklich als „allgemeines Wohngebiet“ ausweist, werden beide Gebäude seit ihrer Fertigstellung im vergangenen Jahr als „Boardinghäuser“ – hotelähnliche Herbergen – genutzt (taz berichtete).
„Das Bezirksamt hat immer wieder versichert, dagegen vorgehen zu wollen, aber nichts ist geschehen“, kritisiert Jürgen Twisselmann, Jurist bei Mieter helfen Mietern. Und auch der GAL-Bezirksabgeordneten Stefanie Neveling platzt allmählich die Geduld. Denn: „Vorige Woche teilte der Bezirk mit, er werde sich nicht weiter gegen die Boarding-Häuser wehren.“ Für Jürgen Twisselmann ein Skandal: „Sofern das Bezirksamt baurechtlich nicht gegen die Nutzung des Hanse Clipper Hauses vorzugehen gedenkt, wird Mieter helfen Mietern beim Wohnungsamt Anzeige wegen Mietwucher bzw. Zweckentfremdung erstatten.“ Das Hanse Clipper Haus wurde als Wohngebäude beantragt und genehmigt. Das ermögliche dem Bezirksamt, so Jurist Twisselmann, die planungsrechtlich unzulässige Nutzung als Beherbungsbetrieb zu untersagen.
„Wenn ein Wohnhaus zum Hotel umfunktioniert wird, ist das eindeutig Zweckentfremdung“, stellt Twisselmann klar. Und selbst wenn man zu der Auffassung gelangen sollte, daß ein „Boarding-Haus“ unter den Begriff „auf Dauer angelegte Wohnnutzung“ falle, sei eine Strafe für den Besitzer fällig: „Mieten über 80 Mark pro Quadratmeter dürften meines Wissens trotz Möblierung und Zimmerreinigung erheblich über den ortsüblichen Preisen liegen“, bemerkte Jurist Twisselmann spitz.
Außerdem verlangt Twisselmann, die Baugenehmigung für das Madison Hotel aufzuheben: Diese sieht zwar die Nutzung als „Boardinghaus“ vor. Dies widersprechee aber der fachlichen Weisung der Baubehörde von 1993, die festschreibt, daß Boarding-Häuser keine Wohnnutzungen sind. „Das hätte dem Bezirk auffallen müssen“, kritisiert Stefanie Neveling. Statt dessen habe man sich dem Umnutzungsdruck durch Gruner & Jahr unterworfen und unter Ausschluß der Öffentlichkeit die Hotels zugelassen. Ursprünglich – das geht aus einem bezirklichen Protokoll hervor – waren 120 bis 150 Sozialbauwohnungen geplant.
Baudezernent Peter Gero wies die Kritik gestern „entschieden zurück“: „Wir haben keine rechtliche Möglichkeit, gegen den Investor vorzugehen.“ Das Madison Hotel sei schon 1991 genehmigt worden; erst danach habe sich die Rechtsauffassung geändert. Das Hanse Clipper Haus sei von Anfang an rechtswidrig als Hotel genutzt, „um zweckentfremdet zu werden, hätte es aber erstmal Wohnhaus sein müssen“. Und: Zum Zeitpunkt der Baugenehmigung habe niemand so recht gewußt, worum es sich bei einem Boardinghaus eigentlich handele. Heike Haarhoff
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