: Bombenattrappe ein Aprilscherz?
■ Bedrohter Antifaschist fühlt sich von Polizei im Stich gelassen
Neo-Nazi-Terror in Poppenbüttel – offenbar kein Fall für die Polizei. Obwohl der 23jährige Poppenbüttler Jan Theegarten seit Jahren von Personen, die vermutlich der rechtsextremen Szene angehören, belästigt und bedroht wird, verweigert ihm das Landeskriminalamt konsequent eine Telefon-Fangschaltung. Auch sein Antrag, eine finanzielle Unterstützung für die Sicherung seines Wohnhauses zu erhalten, lief ins Leere. Theegarten: „Ich fühle mich von der Polizei nicht ernstgenommen“.
Seit fünf Jahren ist das aktive Mitglied der Antifa-Organisation VVN einem nicht enden wollenden Psycho-Terror ausgesetzt. Bereits 1990 wurde er von dem bekannten FAP-Mitglied Mike Mertens persönlich bedroht, seitdem wird er nach eigenen Aussagen durch anonyme Anrufer mit Morddrohungen („Dich richten wir durch Genickschuß hin“) telefonisch terrorisiert. Immer wieder beobachtete Theegarten darüber hinaus, wie sein Poppenbüttler Wohnhaus aus verschiedenen PKW heraus beobachtet und fotografiert wurde.
1993 wurde das Haus von Unbekannten mit Leuchtspurmunition beschossen, Ende vergangenen Jahres fand der in der Altenpflege tätige junge Mann eine Bombenattrappe in seinem Garten. Der jüngste Gruß aus der rechten Ecke: Vergangenen Mittwoch „verschönten“ zwei Propaganda-Plakate der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) zum Todestag von Rudolf Heß die Gartenpforte des Poppenbüttlers.
Obwohl auch dem Verfassungsschutz bekannt ist, daß die Nordhamburger Alstervororte in den vergangenen Jahren immer mehr zum Sammelpunkt rechtsextremer Gruppen geworden sind, spielt das Landeskriminalamt die Gefahr herunter. Theegarten: „Die Beamten teilten mir mit, daß sie nichts machen könnten, da noch nicht einmal eine der Scheiben eingeschmissen worden sei.“ Da die Anschläge auf Flüchtlingsheime derzeit eher abnähmen, sei auch für den jungen Antifaschisten die Gefahr, körperlich zu Schaden zu kommen, eher gering einzuschätzen, hatte die Polizei Theegartens Besorgnis wegzuwischen versucht: „Die Bombenattrappe wurde von der Polizei als ,Aprilscherz' verniedlicht“.
Polizeisprecher Hartmut Kapp wollte sich zu dem „Einzelfall“ nicht äußern. Einziger Kommentar des Beamten: „Wir nehmen jede Bedrohung ernst und bemessen die Art und Weise unserer Schutzmaßnahmen nach objektiven Kriterien“.
Marco Carini
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