Kommentar: Koalitionsräson
■ Regieren wichtiger als Menschenrechte
In der Asylpolitik der großen Koalition herrscht eine wahrhaft zynische Aufgabenteilung. Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) darf sich als rechtes Pferd im Stall der Christdemokraten profilieren. Und die SPD ist das leidige Innenressort mitsamt der für sie ungeliebten Abschiebedebatte los. Lediglich Bürgermeister Henning Scherf (SPD) geht ab und zu mal auf Stimmenfang und umarmt 16jährige Togoer, die kurz vor der Abschiebung stehen.
Effektiv betrachtet haben die Sozialdemokraten die Asylpolitik gänzlich aufgegeben. Borttschellers Kurs bewegt sich inzwischen rechts der CSU. Und die SPD Bremen greift aus Koalitionsräson nicht ein. Abgeordnete, die nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, beugen sich dem Fraktionszwang, um weiter mitregieren zu können und schicken dafür im Notfall Menschen ins Folterregime zurück.
Die Erklärung der SPD dazu ist zudem dumm und heuchlerisch. Man könne kaum eingreifen, da die Einzelfälle nicht bekannt seien. Doch diese werden öffentlich vor Gericht verhandelt. Flüchtlings-iniativen stehen in ständigem Kontakt mit Anwälten und Asylsuchenden. Nur der Regierungspartei SPD sind die Hände gebunden. Das ist ein Armutszeugnis, das einmal mehr beweist, wie sich die SPD von ihrem Koalitionspartner vorführen läßt. Und daß Scherf nur die „Rahmenverantwortung“trägt – wie schon bei den Menschenrechtsverletzungen im Knast Oslebshausen. Jens Tittmann
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