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Die Berühmtheit des dreizehnten Pfeilers

■ Beobachtungen am „Diana-Tunnel“in Paris. Der Tourismus gedeiht gar prächtig

Noch steht er in keinem Reiseführer. Das wird sich aber bei Neuauflagen gewiß ändern. Die Rede ist vom „Diana-Tunnel“ an der Pont d'Alma in Paris und dem todbringenden 13. Pfeiler im Innern der in jeder Richtung zweispurigen Autoröhre. Denn auch ein halbes Jahr nachdem die frühere Prinzessin von Wales nebst Begleiter Dodi al-Fayed und Chauffeur Henri Paul in der Mercedes-Karosse das Zeitliche segnete, ist der Unfallort eine vielbepilgerte Touristenattraktion. Gleichermaßen für Diana-Verehrer wie schnöde Schaulustige. Die multinationale Trauer- und Kultgemeinde trifft sich direkt über dem Tunnel, rund um die vergoldete Flamme, die die Freiheitsstatue in New York kopieren soll. Von hier aus wird der Eiffelturm, gleich vis-à-vis auf der anderen Seine-Seite, fast zur touristischen Nebensache.

Auf Brückenmauern haben Grafitti-Designer die bislang unbedeutende „Place d'Alma“ in „Place Lady Diana“ oder „Platz der drei Opfer Diana-Dodi-Henri“ umgesprüht. Der Sockel des Denkmals ist mit Fotos der meistgeschossenen Frau der Welt bedeckt, mit Blumengebinden, letzten Widmungen, darunter viele in Arabisch, Gedichten und Glaubensbekenntnissen („It was not an accident“). Am heutigen Samstag nachmittag sind ständig um die 100 Touristen da. Ein ständiges Kommen und Gehen. Die Gefühle liegen offen. Eine schwarz gekleidete Mittdreißigerin kann sich die Tränen nicht verkneifen, während ein US-Teenager „I love you Diana, I miss you. Virginie“ auf einen kleinen Zettel kritzelt. Zwei Rucksack-Traveller aus Kanada kriegen den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Stolz wie vor dem Tadsch Mahal posiert ein Inder zum Andenkenfoto, die Großfamilie mit Teekessel und Thermoskanne diskret im Hintergrund. Ein Verkäufer rollt auf Vorrat rote Rosen in Cellophanpapier, 20 Franc das Stück.

Ja, der Kiosk profitiere noch immer von den Diana-Touristen, erzählt der junge schwarze Verkäufer neben der Metro-Station Alma-Marceau. „Das ist ein Pilgerort geworden.“ Kurz nach der Unfallnacht habe ein Deutscher mit seinem Wohnwagen hier drei Tage campiert und die Leute gemaßregelt, wo genau sie die Blumen zu plazieren hätten.

Auf der Tunnelmauer ist mit Kreide der Unfallhergang akribisch nachgezeichnet, der Pfeil auf den 13. Pfeiler gerichtet. Vielen Neugierigen reicht das nicht; sie wollen mit eigenen Augen von der Tunneleinfahrt aus den Todespfeiler sehen. Aus der Distanz sieht es so aus, als ob er mit einem schwarzen Trauerband ummalt wäre. Nur unter lautstarkem Quengeln kann ein kleiner Junge von seinen Eltern zurückgehalten werden. „Im Tunnel gibt es kein Trottoir. Willst du etwa überfahren werden?“

Andere sind da draufgängerischer. Immer wieder sollen Autopiloten und Motorradlenker, unvernünftig wie die berühmte Mercedes-Besatzung einst im Augugst, im Affentempo durch den Tunnel düsen. Und in französischen Zeitungen ist gar von lebensmüden Fahrern zu lesen, die – ungeniert vom Hupen und Blinken folgender Autos – mitten im Tunnel aussteigen, um am 13. Pfeiler Blumen niederzulegen und Fotos zu machen. Günter Ermlich

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