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60 Tage Arrest für den blonden Todesengel

Argentiniens berüchtigster Militär Alfredo Astiz räumt das Verschwindenlassen von 10.000 Menschen während der Zeit der Diktatur ein. Doch Reue ist ihm fremd. Er markiert noch immer den starken Mann  ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher

„Technisch gesehen bin ich der am besten vorbereitete Mann, um jemanden umzubringen. Sei es einen Politiker oder einen Journalisten.“ So tönte Ex-Marine-Kapitän Alfredo Astiz in einem Interview der argentinischen Wochenzeitschrift Tres Puntos am Donnerstag. Kein anderer Name ist so sehr Symbol für Mord und Entführung während der letzten argentinischen Militärdiktatur (1976 bis 1983) wie der von Astiz. Für seine Aussagen in seinem ersten Interview seit zwei Jahrzehnten wurde er am Donnerstag abend von Präsident Carlos Menem persönlich zu 60 Tagen Arrest verdonnert.

Immer wieder wird der „blonde Engel“, wie er wegen seiner Haarfarbe auch genannt wird, auf der Straße oder in Diskotheken erkannt und verprügelt. Dank des Befehlsnotstandsgesetzes von 1987, das der erste demokratische Präsident nach der Diktatur, Raúl Alfonsin, verabschiedete, ist Astiz ein freier Mann. Dieses Gesetz sichert all jenen Militärs Straffreiheit zu, die nur auf Geheiß ihrer Chefs gemordet und entführt haben.

Kühl versicherte Astiz gegenüber Tres Puntos, daß die Streitkräfte ihn gelehrt hätten, „zu zerstören, Bomben zu legen, mich einzuschleichen, zu töten“. Das Handwerk des Tötens beherrschte Astiz während der Diktatur in der Tat: Er war der „beste“ Mann des Regimes. 1977 schlich er sich bei der Menschenrechtsorganisation „Mütter der Plaza de Mayo“ ein. Er war beteiligt am Verschwindenlassen der damaligen Vorsitzenden und Günderin der Organisation, Azucena Villaflor.

Astiz gilt außerdem als Drahtzieher für das Verschwindenlassen zweier französischer Nonnen, die mit den „Müttern der Plaza de Mayo“ zusammenarbeiteten. Dafür wurde er in Frankreich in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac nannte Astiz schlicht einen „Mörder“. Astiz wird mit internationalem Haftbefehl gesucht und müßte sofort festgenommen werden, sollte er Argentinien verlassen. Da er dort wegen der Amnestiegesetze nicht verhaftet werden darf, ist das Land am Rio de la Plata das einzige, wo er ungestört leben kann.

Im vergangenen Jahr schickte Präsident Menem Astiz in den Ruhestand, da sein Verbleib in der Armee immer wieder für Ärger mit französischen Diplomaten sorgte. Als kurz darauf herauskam, daß Astiz weiterhin als Zivilist auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes der Marine arbeitete, sagte ein französischer Diplomat erbost: „Diese Argentinier wollen uns wohl verarschen.“ Seither ist es ruhig um Astiz geworden. Allerdings wurde er vor wenigen Monaten von Jugendlichen in einer Diskothek in der Provinz Buenos Aires erkannt und verprügelt.

Astiz bereut nach eigener Aussage nichts von dem, was er in der Vergangenheit getan hat, und spielt die Verbrechen der Diktatur herunter. Es hätte während der Militärdiktatur lediglich 10.000 Verschwundene gegeben. Menschenrechtsorganisationen zählen 30.000. Astiz markiert weiter den starken Mann. „Ich war im Krieg gegen die Subversion, ich wurde in die feindlichen Linien der Chilenen eingeschleust, ich war auf den Malvinas (Falklandinseln, d. Red.), und ich war als Beobachter in Algerien. Das hier ist jetzt mein fünfter Krieg: still zu bleiben und nichts zu sagen.“

Seine alten Militärkontakte pflegt er bis heute. „Jeden Tag kommen Kameraden und sagen mir, ... du mußt einen Aufstand anführen. Und ich sage ihnen: nein.“ Er habe mit dem jetzigen System seinen Frieden geschlossen, obwohl er zugibt, daß ihm das „Chaos“ mehr entgegenkäme.

Astiz sparte auch nicht mit Kritik an der jetzigen Regierung. Menem nimmt er übel, daß er ihn zwangspensioniert hat, und Heereschef Martén Balza nannte er einen „Trottel“, da er anerkannt hatte, daß das Militär während der Diktatur Verbrechen begangen habe. „Wie kann er denn sagen, daß es Befehle gibt, die man nicht ausführen soll (entführen, foltern, morden). Wenn das so wäre, würden die Streitkräfte nicht existieren“, schimpfte Astiz.

Die Armeeführung war über Astiz' Interview verärgert und dachte am Donnerstag nachmittag laut über eine Bestrafung nach. Da ordnete Präsident Menem schon den Verteidigungsminister an, die „höchsten Sanktionen“ gegen Astiz zu ergreifen. Jetzt muß Astiz für 60 Tage in ein Militärgefängnis in Azul in der Provinz Buenos Aires einziehen. Hebe de Bonafini, der Präsidentin der „Mütter der Plaza de Mayo“, die noch immer jeden Donnerstag ihre Runden um den Platz gegenüber dem Regierungspalast drehen, um die Mörder ihrer Kinder ins Gefängnis zu bringen, erscheinen 60 Tage für Astiz geradezu lächerlich.

In Madrid meldeten sich inzwischen die Anwälte spanischer Familien zu Wort, deren Angehörige in Argentinien während der Militärdiktatur verschwunden sind. Sie forderten den in der Sache ermittelnden Richter auf, Astiz' Aussagen in die Anklage aufzunehmen.

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