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Deutsche Städte fallen unter das Existenzminimum

■ Deutschlands Kommunen fehlt in diesem Jahr das Geld für die notwendigsten Reparaturen und Investitionen, Länder haben ihre Zuschüsse gekürzt

Bonn (taz) – Die Finanznot der Städte und Gemeinden wird immer größer. Sie können nicht mehr investieren, Straßen und Schwimmbäder verfallen. Von neuen Computern an den Schulen ist gar nicht mehr die Rede. Manchen Städten stehen nicht einmal mehr eigene Sportanlagen zu Verfügung. Das geht aus dem Bericht zur Finanzlage des Deutschen Städtetages hervor, den Städtetagspräsidentin Petra Roth (CDU) gestern in Bonn vorgestellt hat.

Die Zahlen, die die Frankfurter Oberbürgermeisterin gestern präsentierte, waren erschreckend. Die Einnahmen der Städte sind 1997 auf das Niveau von 1992 zurückgefallen. In Niedersachsen gibt es keinen Landkreis mehr, der einen ausgeglichenen Etat präsentieren kann. Und die Prognosen für das kommende Jahr lassen kaum Hoffnung auf Besserung zu. Roth prophezeite den Kommunen gestern in Bonn für 1998 ein Gesamtdefizit von 9,8 Milliarden Mark – 800 Millionen Mark mehr als 1997.

Gekürzt wurde und wird vor allem bei den Investitionen. Die seien seit Anfang der neunziger Jahre „um bis zu 60 Prozent zurückgefahren“ worden, sagte Roth. Hier habe man das Ende der Fahnenstange endgültig erreicht: „Wir können weiter nicht sparen.“ Insgesamt gingen die Investitionen der Städte und Gemeinden 1997 im Westen um gut fünf Prozent zurück. 1998 wollen die Kommunen dort noch 34 Milliarden investieren, 1992 waren es noch 47 Milliarden.

In den neuen Ländern ist die Situation noch schwieriger. Die Einnahmen der Ostkommunen aus Einkommensteuer und Gewerbesteuer sind noch nicht einmal ein Drittel so hoch wie im Westen. Weil bei den Sozialausgaben und den Personalkosten nicht so schnell und soviel gespart werden kann, wollen die Kommunen 1998 ein Drittel weniger investieren als 1992.

Die Städte dort haben nicht einmal das Geld für den Eigenanteil an Schulen, Stadtparks und Jugendhäusern, der notwendig ist, um Zuschüsse von Bund und Ländern zu bekommen. Trotz des Investitionsstopps wird nach Angaben von Roth das Defizit der Kommunen in den neuen Ländern 1998 voraussichtlich um 600 Millionen auf 2,2 Milliarden Mark 1998 steigen. Auch die Möglichkeiten zur Kürzung der Sozialbudgets sind ausgereizt. 1997 wurden die Kommunen entlastet, weil die Pflegeversicherung Sozialhilfe einsparen half, die bisher Städte und Gemeinden bestritten. Doch dieser Effekt hat sich mit dem einmaligen Ausgabenrückgang von 56,5 auf 52,9 Milliarden Mark bei den Sozialausgaben der Städte erschöpft.

Roth forderte deshalb die Länder auf, endlich die Finger von den Schlüsselzuweisungen zu lassen – Gelder, die gerade den finanzschwachen Gemeinden das Überleben sichern sollen. Einige Bundesländer hatten angesichts der immer niedriger werdenden Steuerschätzungen den Gemeinden noch Mitte 1997 die Zuschüsse gekürzt, in NRW allein um 250 Millionen Mark. Thorsten Denkler/ten

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