: „Pickerl“-Sünder darf nicht in den Knast
■ Ein Deutscher zahlte keine Mautgebühr und wollte seine Strafe im Gefängnis absitzen. Die österreichischen Behörden aber lassen ihn nicht
Lindau/Bregenz (taz) – Es gibt etwas Neues im deutsch-österreichischen Pickerl-Streit, was kurioser wohl kaum sein könnte. Der Lindauer Bademeister Heinz-Peter Kosmahl hat die geforderte Mautgebühr für österreichische Autobahnen nicht gezahlt, bekommt daraufhin einen Strafbefehl, möchte die Strafe aber lieber im Gefängnis absitzen – doch er darf nicht. Die österreichischen Behörden wollen den Deutschen nicht in ihr Gefängnis lassen.
Das liegt wohl an den Schlagzeilen in Deutschland und Österreich, für die vor einigen Monaten die freiwillige Haftstrafe einer Krankenschwester aus Wangen gesorgt hat. Um den Vorgang einschätzen zu können, muß man sich die örtlichen Gegebenheiten vor Augen halten. In Lindau am Bodensee gibt es einen großen Autobahngrenzübergang nach Österreich. Einige hundert Meter hinter diesem Grenzübergang Lindau-Hörbranz beginnt der etwa sieben Kilometer lange Pfändertunnel. Allgemein wird angenommen, erst danach beginne die Republik Österreich und somit die Mautpflicht. Viele Autofahrer verlassen daher an dieser Ausfahrt gleich wieder die Autobahn, um sich die österreichische Maut zu ersparen. Doch dann ist es bereits zu spät.
Auch für die rund 300 Meter braucht man ein sogenanntes Pickerl. Und so sehr auch die österreichischen Anrainergemeinden selbst und der Österreichische Automobilclub gegen diesen bürokratischen Auswuchs wettern, die Wiener Bundesregierung bleibt hart. Die Gendarmerie wiederum kontrolliert diese Stelle offenbar mit Vorliebe. In eine solche Kontrolle geriet auch Bademeister Kosmahl, und obwohl er sich ungerecht behandelt fühlte, war er zunächst bereit, die knapp 160 Mark Strafe für die paar hundert Meter Autobahn zu bezahlen. „Ich hatte aber nur 47 Mark einstecken“, berichtet der Sünder. „Ich bot den Gendarmen an, am nächsten Geldautomat den Rest zu holen.“ Doch damit waren die Österreicher nicht einverstanden. Auch dann nicht, als Kosmahl seinen Führerschein und sein Auto als Pfand anbot.
Wer nicht zahlen kann, bekommt einen Strafbefehl. Und der lautete dann auf stolze 3.000 Schilling, rund 420 Mark. „Wahlweise 72 Stunden Haft, steht da drin“, sagt der Verkehrssünder. So tat er denn den österreichischen Behörden kund, er hätte als Bademeister im Winter eine Menge Zeit, daher würde er die Strafe absitzen. Im Moment läuft ein weiterer Einspruch, doch die Österreicher weigern sich beharrlich, eine Zelle für den Deutschen freizumachen. Der aber bleibt stur: „Wer so ungerecht ist, bekommt von mir keine Mark. Die sollen mich von mir aus vierzehn Tage einsperren, ich gebe nicht klein bei.“ Klaus Wittmann
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