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Rotwein und Revolution

■ Trotz schwerster persönlicher Tiefschläge ist der Romantiker Nikki Sudden einfach nicht von der Straße runterzukriegen

So einem wie Nikki Sudden geht es am besten, wenn er unterwegs ist. Nachvollziehbar, daß er jetzt darauf verzichtet, seine Tour abzusagen, obwohl sich sein Bruder Epic Soundtracks Ende letzten Jahres das Leben genommen hat. Zu erklären gibt es da nichts: Epic Soundtracks schrieb Songs, die in ihren besten Momenten strahlten wie die seiner Helden Brian Wilson oder Alex Chilton. Interessiert hat das kaum jemanden, zu seinen Konzerten erschienen stets die gleichen drei Dutzend Gestalten. Da erging es Epic Soundtracks, wie es jetzt noch immer seinem Bruder Nikki Sudden ergeht.

„Anyway“, könnte der Engländer an dieser Stelle sagen, was soll's. Am Feedback durch irgendein Publikum scheint Nikki Sudden eh nie wirklich interessiert gewesen zu sein, und die etwas älteren Semester unter den Lesern erinnern sich vielleicht noch daran, wie er Mitte der Achtziger in Hamburger Straßenunterführungen gehockt hat, um die Hits von Marc Bolan auf der Akustischen nachzuspielen. Damals lebte er einige Monate in dieser Stadt.

Aber die Geschichte von Nikki und der Straße beginnt schon ein Jahrzehnt früher, Mitte der Siebziger nämlich, als er im besten Teen-Alter mit Bruder Epic die berüchtigten Swell Maps gegründet hatte. Die brachten mit ihren überdrehten Pop-Dekonstruktionen den Musikbetrieb ganz schön durcheinander. Aber schon ein paar Jahre später hatte sich der gebürtige Londoner in jenen Romantiker verwandelt, der von den schönen Brutalitäten der französischen Revolution träumt und ohne Rotweinflasche nicht auf die Bühne steigt.

Nikki Sudden ist der Typ fürs Pittoreske. Ein lebender Anachronismus, der auch schon mal unter erheblichen Formtiefs leidet – und bei allzu übertriebenem Rotweinkonsum echten Müll redet. Neben seinem tollen frühen Solo-Album Bible Belt und einigen reizenden Platten mit den Jacobites hat er – auch das muß gesagt werden – ziemlich lächerlichen Liedermacher-Murks verzapft. Aber das fiel nie so schwer ins Gewicht, weil stets sofort was Neues kam. So hat der zerknautschte Samtjacken-Träger schon mit einer beachtlichen Reihe legendärer Gestalten Bühne und Studio geteilt. Unter anderem: Rowland S. Howard, Mike Mills, Steve Shelley, Jeff Dahl.

Und während da so viele Freunde von dieser Welt verschwinden, folgt Nikki Sudden auch mit seinen 41 Jahren weiterhin dem Ruf der Straße. Unverbesserlich.

Christian Buß

Mo, 26. Januar, 21 Uhr, MarX

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