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Geisterbahn nach Hamburg

Der A 26 zwischen Hamburg und Stade droht nach dem Baustopp für die Ostseeautobahn das Ende. Dennoch wird ab heute planiert  ■ Von Achim Fischer

Matthias Wissmann bleibt dabei: Der Bundesverkehrsminister (CDU) drückt heute im Alten Land den roten Knopf für den Bau der Autobahn A 26 zwischen Stade und Hamburg – auch wenn das Projekt durch den gestrigen Urteilsspruch des Bundesverwaltungsgerichts auf der Kippe steht. Das hat gestern den Bau der Ostsee-Autobahn A 20 südlich von Lübeck vorläufig gestoppt (siehe Seite 1). Mit einer Begründung, die den Klageschriften der A 26-Gegner entspricht.

Das Gericht bemängelte, daß das Land Schleswig-Holstein bei den Planungen für die Ostsee-Autobahn Naturschutzvorschriften der EU nicht ausreichend beachtet hat, vor allem bei dem Bauabschnitt durch die Wakenitz-Niederung. Diese, befand das Gericht, kommt als „besonderes Schutzgebiet“nach EU-Recht „ernsthaft in Betracht“.

Tatsächlich aber wurde es von der Kieler Landesregierung nicht als Schutzgebiet angemeldet, und die Auswirkungen der Autobahn wurden bislang nicht nach den strengen Vorschriften für solche Biotope beurteilt. Zwar gibt es für diesen Autobahnabschnitt noch keine Genehmigung. Aber das Gericht hält es für fraglich, ob es diese bei Anwendung des EU-Rechts jemals geben kann. Es untersagte deshalb vorläufig den Bau des bereits genehmigten anschließenden Autobahnabschnittes, „um zu vermeiden, daß vollendete Tatsachen geschaffen würden oder ein Planungstorso entstünde“. Eine Entscheidung fällt das Gericht im Hauptverfahren, voraussichtlich am 7. Mai.

Genau die gleiche Konstellation liegt auch im Alten Land vor. Auch hier gibt es eine Baugenehmigung für den ersten Autobahnabschnitt zwischen Stade und Horneburg. Auch hier soll die weitere Trasse durch ein Areal führen, das nach Ansicht von Umweltverbänden eindeutig nach EU-Recht geschützt werden müßte: die Reste des Moorgürtels, besser bekannt als Brutstätte des Wachtelkönigs. Auch hier klagen Umweltverbände gegen die erste Autobahntrasse mit dem Argument, daß der weitere Verlauf durch das Biotop vermutlich niemals genehmigt werden könnte.

Beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg liegen 16 Klagen von Umweltverbänden, Anwohnern und Bauern gegen den Bau der Asphalt-Piste durch die Obstplantagen des Alten Landes vor. Paul Schmid vom Hamburger Landesverband des BUND freute sich: „Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes gegen die Ostseeautobahn werden auch die Klagen gegen die A 26 im Alten Land erfolgversprechender.“

Neben Umweltschützern setzt auch die EU Hamburg unter Druck. Bis zum 27. Januar soll jedes Bundesland in Brüssel eine Liste der Flächen vorlegen, die es entsprechend der EU-Vorgaben ausweisen will. „Es wird im Moment debattiert, welche Gebiete nach EU-Recht angemeldet werden“, bestätigt Brigitte Köhnlein, Sprecherin der Umweltbehörde. Eine Entscheidung werde der Senat „in nächster Zeit fällen“. Meldet die rot-grüne Landesregierung den Moorgürtel nicht an, wollen mehrere Hamburger Umweltorganisationen den Europäischen Gerichtshof anrufen.

„Ich bin einfach überglücklich“, kommentierte gestern die Kieler BUND-Landesvorsitzende Sybille Macht-Baumgarten das Urteil des Bundesgerichtes. „Dieses Urteil zeigt, daß sich keine Landesregierung und kein Verkehrsminister einfach über geltendes Europarecht hinwegsetzen kann.“Kiels Verkehrsminister Peer Steinbrück (SPD) wertete die Entscheidung als „Rückschlag für die schnelle Realisierung der Ostsee-Autobahn“.

Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann wird heute trotz des Urteils „ganz sicher“das rote Knöpfchen für die A 26 drücken, bestätigte gestern ein Sprecher des Ministeriums. Das letzte Mal war Wissmann Anfang Dezember in Hamburg. Zum Knöpfchendrücken. Er startete die Baggerarbeiten für die Elbvertiefung. Sie wurde vergangene Woche von einem Gericht vorläufig gestoppt.

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