piwik no script img

Hier jetzt nicht rauchen! Von Barbara Häusler

Das Verbot ist – neben dem Abgeküßtwerden – eine der frühesten menschlichen Erfahrungen überhaupt. Jeder einzelne Entwicklungsschritt wird mit einem entsprechenden Verbot quittiert: hier nicht anfassen, dort nicht hüpfen, so was sagt man nicht zu fremden Leuten, und singen darf man auch nicht immer. Das alles ist für ein Kind ziemlich unübersichtlich, und deshalb beginnen nicht wenige schon früh vorsichtig abzuwarten, ob etwas nun verboten ist oder nicht. Das ist für ein Kind aber auch ziemlich unnatürlich, deshalb wurde ich schon früh Anhängerin des Leitspruchs: Alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt. Das gibt einem viel mehr Spielraum, vorausgesetzt natürlich, daß man nicht erwischt wird.

Dieser Leitspruch hat sich auch in meinem Erwachsenenleben gut bewährt, obwohl auch hier immer wieder einige Unübersichtlichkeiten auftreten. So ist etwa das weitverbreitete „Nicht auf den Boden spucken!“ ein einwandfrei ausdrückliches Verbot, das ich auch gern befolge. Ich habe allerdings nie verstanden, warum mir das verboten wird, denn ich will gar nicht auf den Boden spucken. Auch „Keine Flaschen aus dem fahrenden Zug werfen!“ leuchtet mir nicht völlig ein, weil selbst ich es nicht gut fände, wenn jemand statt dessen (erlaubte!) Marmeladengläser hinausfeuerte. Und daß der Bewohner einer ölbeheizten Wohnung ratlos vor seiner Mülltonne steht, in die er „Keine heiße Asche einfüllen!“ soll, verstehe ich gut: Wo sollte er die hernehmen?

Verbote müssen also eindeutig sein, und sie müssen einen eindeutig betreffen. Ich erwarte klare Aussagen, wenn einer schon nicht will, daß ich was tue, und weil ich ansonsten ganz durcheinanderkomme. Ein Verbot, das mich stark betrifft, heißt „Hier nicht rauchen!“, und kürzlich bin ich damit schwer durcheinandergekommen. Da war ich zu einer Ausstellungseröffnungsfeier in einem Museum eingeladen, das sich dem Menschen und irgendwie auch seiner Gesundheit verschrieben hat. Deshalb darf im ganzen Haus nicht geraucht werden, nicht mal in den Büros der Mitarbeiter. Natürlich wird dort doch geraucht, vor allem in den Büros der Mitarbeiter.

Das Fest sollte in einem der Tagungsräume stattfinden. Bier war da, Wein war da, die Mitarbeiter waren da, und Suppe war auch da. Nur Aschenbecher waren nicht da. Ich stellte den Partyleiter zur Rede. Doch, man man werde hier rauchen – aber erst später. Später? Wieso später? Es ging dann doch schneller, weil die Mitarbeiter das lästige Schamfrist-Problem ebenso listig wie lehrreich lösten: Wortlos und wie ein Mann erklärten sie den Tagungsraum zu offiziellem Museumsgebiet (= Nichtrauchen) und den Flur zu einem Mitarbeiterbüro (= Rauchen). Das Fest fand folgerichtig nicht im Saale statt, sondern davor, man aschte in leere Bierflaschen, und es wurde ein sehr schöner Abend.

P.S. Parallel zum Festbeginn endete in einem anderen Tagungsraum eine vom Regierungspräsidenten der Museumsstadt initiierte ganztägige Anhörung über die Trassenführung irgendeiner neuen Autobahn. Die Teilnehmer dieser Veranstaltung haben sich am nächsten Tag bei der Museumsleitung bitter beklagt: Ihnen habe man das Rauchen verboten, aber anderswo habe geraucht werden dürfen. Das Ganze wird wohl ein politisches Nachspiel haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen