: Unser Mann in Peking
■ In Jon Avnets "Red Corner - Labyrinth ohne Ausweg" gibt der Buddhist Richard Gere einen überaus langweiligen Mr. Perfect
Der Kalte Krieg ist nicht wirklich vorbei. Jack Moore (Richard Gere) ist unser Mann in Peking. Der international erfolgreiche Anwalt soll das erste chinesisch-amerikanische Satellitenabkommen abschließen. Filme, in denen sich blonde Badeschönheiten an den Stränden Südkaliforniens aalen, rahmen die Verhandlungen ein. Strategisch ein Mißgriff – die Partei-Chinesen erstreben zwar Geschäfte, denn Geld kann man bekanntlich nie genug haben, nicht aber die „westliche moralische Verderbnis“. China, o China: Von heiligen Schauern geschüttelt, besucht Jack Moore nach Dienstschluß den Platz des Himmlischen Friedens – eine super-obszöne Szene. Glamour-Mode neben Mao-Look, in den Discos tanzt man gar zu „Y.M.C.A.“. Wer soll sich da noch zurechtfinden? So richtig am Dampfen ist die Kacke aber erst, als Moore in die Gesetzesfänge des schizoiden Staates gerät. Dem Mann wird der Mord an seinem One Night Stand untergeschoben.
Jon Avnet („Grüne Tomaten“) bietet in seinem schmockigen Neo- Western „Red Corner“ alles auf, was in der ideologischen Rumpelkammer zu finden ist: Amerikanisches Rechts- und westliches Demokratieverständnis gegen chinesischen Unrechtsstaat, Folter und den Mißbrauch östlicher Weisheit. Amerikanischer Staranwalt versus kleine chinesische Pflichtverteidigerin (die Schauspielerin Bai Ling als einziges Highlight des Films). Hohlschwätzender US-Botschafter versus Selbst-ist-der-Mann- Musketier-Robin-Hood. Und natürlich: dumme Männer versus eine zu kluge Frau. Richard Gere ist als Moore ein überaus langweiliger Mr. Perfect. Nicht daß „Red Corner“ ein wirklich schlechter Film wäre. Es ist schon lustig, wie Gere mit dem Fahrrad durch die Straßen Pekings in die US-Botschaft flüchtet und dabei Hunderte motorisierter chinesischer Sicherheitskräfte abhängt. Wäre das die Öko-Alternative für Bond? „Red Corner“ ist sicher auch die persönliche Abrechnung des Buddhisten Richard Gere mit der chinesischen Diktatur. Dabei ist dem Film eine gewisse Spannung, aufgebaut durch die kulturelle Differenz zwischen Moore und seiner chinesischen Anwältin, nicht abzusprechen. Dummerweise macht Avnet selbst diese Spannung auf die denkbar dämlichste Weise kaputt. Sie raten es, Leser: Moore und Shen Yuelin werden dazu verdammt, sich ineinander verlieben zu müssen. Liebe macht willig, und so erweckt denn auch der wachsende Glaube an Moores unschuldige Rechtschaffenheit Shens widerständigen Geist. „Red Corner“ ist ein in ideologischer Hinsicht vollkommen obszöner Film. Am Ende, als westliches Rechtsverständnis und östliche Weisheit sich zusammentun, siegt die Wahrheit. Zu albern die Symbole. Zu naß die Tränen. Zu lang der Abschied. Vorhang. Anke Westphal
„Red Corner – Labyrinth ohne Ausweg“. Regie: Jon Avnet. Mit Richard Gere, Bai Ling, Bradley Whitford u.a.. USA 1997, 119 Min.
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