Kult und Kirche

Die Kubaner sind ein religiöses Volk, auch wenn die katholische Kirche schon in vorrevolutionären Zeiten viel weniger verankert war als in den meisten anderen Ländern Lateinamerikas. Das Revolutionsregime hat sich 1962 für atheistisch erklärt und die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit faktisch verboten.

Erst 1991 durften bekennende Gläubige wieder Parteimitglieder werden. In der Verfassung von 1992 wurde schließlich jede Diskriminierung aus religiösen Gründen verboten.

Heute sind etwa 40 Prozent der Kubaner getauft, doch nur jeder dreißigste von ihnen praktiziert seinen Glauben. Nach offiziellen Zahlen hängen 83 Prozent Kubaner im weiteren, nach kirchlichen Angaben 16 Prozent im engeren Sinn der Santeria, dem Palo Monte, den Abakuá oder anderen Kulten an, die mit schwarzen Sklaven aus Afrika in die Neue Welt kamen. Viele gehen in die katholische Kirche, beten dort aber vor allem ihre eigenen Götter an. Jeder katholische Heilige hat sein Pendant in einem afrikanischen Gott.

Am weitesten verbreitet sind die Santeria, die auf die Religion der Yoruba des heutigen Nigeria zurückgeht, und der Palo Monte, der von den Bantu aus dem Kongo stammt. Überdies gibt es die weitverbreitete Geheimgesellschaft der Abakuá.

In der Santeria, die auch Regla de Ocha oder Regla de Lucumi heißt, haben sich noch etwa 30 Götter aus dem großen Pantheon der Yoruba, das an die 600 Götter zählt, erhalten. Sie werden Orishas genannt. Ihnen wird geopfert, sie werden zu Rate gezogen, man versucht sie gnädig zu stimmen. Auf den Bembé, den Festen, werden sakrale Trommeln gerührt, und die Leute tanzen, oft bis sie in Trance fallen – das heißt ein Gott Besitz von ihnen ergreift.

Im Palo Monte, der auch Regla Conga genannt wird, spielen vor allem die Naturkräfte eine große Rolle. Die Vegetation ist von Geistern bevölkert, und die Vorahnen sind im Wasser präsent.

Im Palo Monte nimmt auch die Zauberei einen wichtigen Platz ein. Die Tänze der Paleros, wie die initiierten Anhänger des Kultes genannt werden, sind oft sehr erotisch. Im Zentrum ihrer Zeremonien steht die Nganga, ein Gefäß, in dem sich die Seele eines Verstorbenen befindet.

Die Abakuá oder Ñañigos sind eine Geheimgesellschaft. Ihr gehören ausschließlich heterosexuelle Männer an. Sie sind ungefähr 1820 als Bündnis zum gegenseitigen Schutz entstanden und werden mit der Freimaurerei verglichen, die es in Kuba auch gibt, haben aber eigene, aus Nigeria eingeführte Riten. Anders als Santeria oder Palo Monte, deren Anhänger den Göttern im eigenen Haus huldigen, treffen sich die Abakuá in ihren Tempeln. Die Rituale sind kaum bekannt, weil die Abakuá nicht darüber reden dürfen. Um so mehr Gerüchte ranken sich darum. Zum Beispiel hört man oft, daß früher, in den Zeiten vor der Revolution, jeder, der Mitglied der geheimen Gesellschaft werden wollte, einen Menschen umbringen mußte. thos