■ Vorschlag: Herbert Fritsch liest Sam Shepards Billigmythen im Roten Salon
Der schnellste Weg, gute amerikanische Freunde wieder in entfernte Bekannte zu verwandeln, ist ein gemeinsamer Gang durch Plattensammlung und Bücherregal. Stolz zeigt man Raritäten von US-Undergroundbands, die so tolle Songtitel wie „Fuck Motel“, „Fuck me, I'm rich“ oder „Too drunk to (Na?)“ im Programm haben. Wenn es dann noch nicht plötzlich Aufbruchszeit ist, bleibt der Blick in die Bücherwelt: drei satte Meter, die von nichts anderem handeln als dem Untergang der amerikanischen Mittelschichtjugend, dem Ghettokrieg in L.A. und den Crackdealern in der Bronx.
Und warum – nur für den Kick, für den Augenblick? Nein: Weil wir als gute Christenmenschen natürlich God's Own Country und was da so dranhängt besonders gut im Visier haben. Also aufgepaßt, wenn Herbert Fritsch a.k.a „Blue Morphan“ sich heute an Sam Shepards neuem Fragmenteband „Spencer Tracy ist nicht tot“ versucht und Sir Henry am Piano dazu Easy-Listening-Sounds bastelt. Denn der Mann, der das Drehbuch zu Wim Wenders' „Paris, Texas“ schrieb und auch den wirren Space-Western „The Unseen Hand“, weiß durchaus um die Tricks, mit denen Billigmythen für den Hausgebrauch konstruiert werden, zögert aber trotzdem nicht, sie gnadenlos für ein paar Lacher mehr auszubeuten.
Shepard bastelt an der mehr oder weniger sinnlosen Amibild- Produktion weiter: Abenteuer auf dem Highway! Streß mit der Drogenfahndung! Schnelle Autos! Schäbige Motels! Und was dergleichen mehr ist an Zeugs, das man als junger Mensch an Low-Budget- Filmen aus Boise, Idaho, oder Hoboken, New Jersey, geschätzt hat. Auch nicht ohne Pep die Hommage an den „Selfmade-Man“, dessen Urgroßvater im Bürgerkrieg auf beiden Seiten Körperteile verlor, um am Ende wegen Schürzenjägerei gehängt zu werden.
Zum Glück kann er aber auch anders: So kleidet er den Dialog zwischen einem Amerikaner und einer Schwedin, die ganz versessen auf das ihr nur aus dem Kino geläufige Amerika ist, mit humorigen Wendungen aus. Wo bitte gibt's denn die Kicks auf der Route 66? Wo ist Westen und warum? Der ganze Kram eben, der in unbeholfenen Köpfen herumspukt – und mit dem man die Freunde besser in Ruhe läßt, wenn man doch noch mal rübermöchte. Gunnar Lützow
Morgen, 22 Uhr, Roter Salon, Volksbühne, Rosa-Luxemburg-Platz
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