: Waffenstillstand von IRA und Loyalisten verletzt
■ Nordirlands Polizeichef fordert den Ausschluß der unionistischen UDP von Friedensgesprächen, weil deren paramilitärischer Arm UDA den Waffenstillstand gebrochen habe
Dublin (taz) – Nun hat es auch der nordirische Polizeichef gemerkt. Die loyalistische Ulster Defence Association (UDA) habe in diesem Monat drei Menschen ermordet, sagte am Donnerstag Ronnie Flanagan, Chief Constable der Royal Ulster Constabulary (RUC). „Ich bin aufgrund unserer Untersuchungen einschließlich forensischer Tests fest davon überzeugt“, sagte er. Gleichzeitig beschuldigte er die IRA, unter dem Deckmantel einer Antidrogeninitiative vor zwei Wochen einen Mann in Belfast angeschossen zu haben.
Die UDA, die auch unter dem Tarnnamen Ulster Freedom Fighters (UFF) operiert, hatte 1994 einen Waffenstillstand erklärt und ihn bis heute offiziell nicht aufgehoben. Die Mordanschläge waren zunächst der Splittergruppe Loyalist Volunteer Force angelastet worden, doch Augenzeugen hatten prominente UDA-Mitglieder erkannt.
Flanagan forderte den Ausschluß des politischen UDA-Flügels, der Ulster Democratic Party (UDP), von den Belfaster Friedensgesprächen. Die Regierungen in London und Dublin befinden sich nun in einer Zwickmühle. Bisher hatten sie die Indizien ignoriert, weil ein Ausschluß der UDP das Ende des Runden Tisches einläuten könnte. Der irische Premierminister Bertie Ahern sagte gestern, er wolle keine „Leute aus dem Dialog hinausdrängen“.
Nur: Alle Verhandlungsteilnehmer haben sich im vorigen Jahr auf die „Mitchell-Prinzipien“ – benannt nach dem früheren US-Senator George Mitchell, der die Gespräche leitet – verpflichtet. Und diese Prinzipien beinhalten unter anderem Gewaltverzicht. Verletzt eine Partei diese Prinzipien, können die anderen Parteien ihren Ausschluß fordern. Die beiden Regierungen müssen in dem Fall entscheiden.
Bisher hat niemand diesen Schritt unternommen. Seamus Mallon, der stellvertretende Vorsitzende der katholischen Sozialdemokraten, meinte, die Überwachung der Mitchell-Prinzipien sei Sache der beiden Regierungen, und nicht der einzelnen Parteien.
Doch der Druck auf die UDP wird immer größer. Willie Thompson von der Ulster Unionist Party, der größten nordirischen Partei, sagte gestern, die Position der UDP sei unhaltbar. Thompson gehört dem Parteiflügel an, der von vornherein gegen eine Teilnahme an den Gesprächen war. Auch die Tories fordern den Ausschluß der UDP. Und Lord Alderdice von der kleinen unionistischen Alliance Party sagte, die UDP müsse sich jetzt zwischen der UDA und der Demokratie entscheiden. Ein Sprecher der UDP, David Adams, sagte jedoch: „Wenn wir alle Verbindungen zu den loyalistischen paramilitärischen Organisationen abbrechen, dann haben wir überhaupt keinen Einfluß mehr.“ Er bestritt die Anschuldigungen des Polizeichefs nicht: „Ich habe nicht die Absicht, den Chief Constable als Lügner zu bezeichnen.“ Adams sagte, die UDP-Parteiführung werde „von der UDA eine Erklärung fordern und sie genau danach fragen, was eigentlich los“ sei.
Auch hinter dem jüngsten Anschlag soll die UDA stecken. Am Donnerstag abend wurde der 30jährige Katholik Chris McMahon in Belfast durch Schüsse in den Kopf und den Bauch lebensgefährlich verletzt. Seine Frau ist eine Cousine von Alex Maskey, der zur Sinn-Féin-Delegation bei den Friedensverhandlungen gehört. Als McMahon blutend zusammenbrach, rief er: „Warum ich?“ Sein Bruder, der bei ihm war, sagte: „Es hat nichts mit dir zu tun. Es ist das verdammte Land, in dem wir leben.“ Ralf Sotscheck
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