: "Die Schweinepest ausrotten"
■ Der Bonner Landwirtschaftsminister Jochen Borchert über die Bekämpfung der Seuche, über den neuen Impfstoff, den Ferkeltourismus und die Verbraucher. Für deren Verunsicherung sieht er keinen Anlaß
taz: Kein Jahr ohne Schweinepest. Wie kann man die Massentötungen verhindern?
Jochen Borchert: Mit einer noch besseren Hygiene. Wir müssen uns noch mehr Mühe geben, die Übertragung von Infektionen zu verhindern. Im konkreten Fall hat das schnelle, konsequente Vorgehen dazu beigetragen, daß wir bisher nur zwei Ausbrüche der Schweinepest haben. Die wichtigsten Infektionsketten sind Übertragungen durch Kontakte zwischen den Betrieben. Im konkreten Fall ist der Infektionsweg noch nicht identifiziert.
Der Betrieb in Losten ist beinahe ein Schweine-Hochsicherheitstrakt. Das Personal wird tagtäglich durch Schleusen geschickt und muß sich bis auf die Unterwäsche entkleiden. Trotzdem kam es zu dieser Ansteckung.
Auch bei konsequentesten hygienischen Maßnahmen können Sicherheitslücken entstehen. Möglicherweise gab es doch irgendeinen Kontakt mit dem bei Wildschweinen vorkommenden Virus. Aber ich glaube dennoch, daß wir die Seuche eindämmen können.
Mäster beziehen ihre Ferkel aus vielen verschiedenen Betrieben und erhöhen damit das Risiko.
Natürlich wäre es sinnvoll, wenn die Betriebe ihre Ferkel von verläßlichen Händlern kaufen und nicht von irgendwelchen Zwischenhändlern, die die Tiere von Dritten aufgekauft haben. Es wäre auch vorteilhaft, wenn die Mastbetriebe ihre Ferkel nur aus einem Betrieb beziehen und wenn sie sie nicht durch ganz Deutschland transportieren. Aber solche Dinge bestimmt der Markt. Dennoch ist es notwendig, über sicherere Handelsstrukturen nachzudenken.
Der Schaden geht weit über die getöteten 80.000 Tiere hinaus. Der Verbraucher ist verunsichert. Gibt es keine andere Möglichkeit, mit der Pest fertig zu werden?
Für die Verunsicherung gibt es keinen Anlaß. Die Schweinepest ist für den Menschen völlig ungefährlich. Die Impfungen, die wir früher hatten, ersparten dem Verbraucher zwar die schrecklichen Bilder der Keulung. Dafür war die Schweinepest aber stärker verbreitet, wir hatten ständige Ausbrüche und mußten permanent impfen. Ich glaube, daß der heutige Weg mit dem Ziel, die Schweinepest in Europa auszurotten, auf Dauer der erfolgreichere ist.
Genutzt haben die Keulungen nichts. Es gibt jedes Jahr eine neue Epidemie in der EU. In den Niederlanden mußten im letzten Jahr vorsorglich zehn Millionen Tiere getötet werden, von denen 99 Prozent gesund waren.
Wir hatten früher in Deutschland die Schweinepest in allen Regionen. Derzeit sind wir bis auf die beiden Fälle schweinepestfrei. Wir haben allerdings ein Reservoir des Virus bei den Wildschweinen. Deshalb müssen wir überlegen, wie wir die Pest bei diesen Tieren wirkungsvoller bekämpfen. Unsere Maßnahmen bieten die Chance, die Pest in Europa auszurotten. Das ist mit einer vorbeugenden Impfung nicht möglich.
Jetzt wird über einen neuen Markerimpfstoff diskutiert, der kurz vor der Einführung steht. Er macht es möglich, daß geimpfte und infizierte Tiere auseinandergehalten werden können. Ist dieser Impfstoff eine gute Alternative?
Der Markerimpfstoff ist in seiner Entwicklung gerade erst fertig. Die Zulassung steht noch in diesem Jahr an. Wir werden über seinen Einsatz mit den Mitgliedsländern der EU intensiv diskutieren. Der Markerimpfstoff bietet die Chance, im Falle des Ausbruchs durch eine Ringimpfung um den Seuchenherd die Ausbreitung zu verhindern. Wir werden diesen Impfstoff aber nicht prophylaktisch, also nicht zur Vorbeugung vor der Schweinepest, einsetzen.
Kann der neue Impfstoff Massentötungen verhindern?
Er ist eine Ergänzung der heutigen Bekämpfungsmaßnahmen. Zunächst muß er erst einmal zugelassen sein. Dann wird sich zeigen, wie sich der Markerimpfstoff im Praxiseinsatz bewährt.
Bisher lehnen die USA jegliches Schweinefleisch aus Ländern mit Impfprogrammen ab.
Es sind nicht nur die USA. Wir verhandeln mit diesen Ländern und hoffen auf eine Akzeptanz ohne Handelsauflagen. Der entscheidende Vorteil des Impfstoffs ist ja, daß wir am geschlachteten Tier, an seinem Fleisch sehen, ob das Tier mit der Schweinepest infiziert oder nur geimpft war. Interview: Manfred Kriener
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