: Geringe Witzdichte
■ Michael Mittermeier als allenfalls mittelscharfer Comedy-Popstar im dennoch ausverkauften Pier 2
Einigermaßen nachvollziehbar mag es sein, wenn das Publikum bei Konzerten Musikstücke am heftigsten beklatscht, die es schon kennt und schätzt. Erstaunlich hingegen ist es immer wieder, daß dieses Verhalten ebenfalls bei Comedy-Veranstaltungen zu beobachten ist. Wer lacht schon gerne über immer wieder dieselben Witze? Jede Menge Menschen, wie der Auftritt von Michael Mittermeier am Samstag im Pier 2 zeigte. Die Veranstaltung war seit langem ausverkauft, Ähnliches darf für den Zusatztermin im Herbst erwartet werden.
Mit dem stürmischsten Applaus wurden Nummern bedacht, die aus Funk und Fernsehen hinlänglich bekannt sind. Da wurden Pointen gar nicht erst abgewartet. Mittermeier brauchte nur Schlüsselworte wie „Auslandskrankenschein“oder „O. B.-Werbung“in den Mund zu nehmen, und das Gejohle war groß. Dabei entpuppten sich viele der bekannteren Nummern seines Programms als recht einfältig und berechenbar. Die Enthüllung, daß die heiligen drei Könige sich an Weihrauch und Myrrhe berauschten, erinnerte schmerzlich an den überwunden geglaubten Kifferhumor der 70er, und eine Veralberung des New Yorker 'Fuck you'-Dialekts zeugte von geringer Witzdichte und wenig Beobachtungsgabe.
Dabei ist Beobachtungsgabe ansonsten das, was den Reiz Mittermeiers Programms ausmacht. Es heißt „Zapped – ein TV-Junkie knallt durch“und handelt nahezu ausschließlich vom amüsanten Nacherzählen der Abstrusitäten, die der Michael im Fernsehen gesehen hat. Zum Beispiel einen Werbespot für Deckenlamellen, in dem ein Pärchen so heftig kopuliert, daß es für den Zuschauer unmöglich ist, sich den Namen der Firma zu merken. Oder die Parfumwerbung mit Mager-Model Kate Moss, in der man statt dem gehauchten „Obsession“leicht ein flehendes „Was zu essen!“verstehen kann.
So bissig Mittermeiers Kommentare mitunter waren, war er doch stets darauf bedacht, nicht jede Fernsehsünde mit der gleichen Härte anzugehen. Da bekam „Peep!“weitaus mehr Fett weg als „Raumschiff Enterprise“; es konnte ja schließlich sein, daß sich schnell beleidigte Wirrköpfe im Publikum befanden, die den Sci-Fi-Schrott wirklich mochten. Und tatsächlich: Zumindest eine Person mit angeklebten Brustkommunikator wurde gesichtet.
So blieb der Künstler stets der Liebling aller Anwesenden. Und genau das ist sein Anliegen: Er möchte ein Popstar sein. Dafür spricht nicht nur sein fesches Outfit aus Lederhose, T-Shirt und umgedrehter Baseballkappe, sondern auch seine grazilen Tanzschritte als in Sicherheitsvorkehrungen einweisende Stewardeß oder sein federnder Gang als O. B.-Frau (die, die vorher immer den Diaprojektor ausschaltet) und vor allem der Verkaufsstand, an dem Mittermeiers Antlitz nicht nur von CD-Covers und Postern, sondern auch von Kaffeetassen und T-Shirts grinst.
Bis zum Schluß hatte Michael Mittermeier die Hoffnung, das Fernsehen selbst möge noch während der Show anrufen. Schließlich war zeitgleich „Wetten daß...?“in der Stadt, und so bestand die Möglichkeit, daß das gesamte Pier 2-Publikum durch eine obskure Saalwette in die Stadthalle geordert werden könnte.
Der Anruf kam aber nicht. Machte nichts: Michael Mittermeier zuzuhören war ähnlich amüsant wie richtiges Fernsehen und ungefähr genauso spannend. Was immer das für den einzelnen heißen mochte.
Andreas Neuenkirchen
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