: Alpentransit: EU und Schweiz einig
■ Die Helvetier lenken ein: Die 40 Tonnen schweren Lastzüge kommen doch, die Transitgebühr wird auf nur 325 Franken festgesetzt. Dafür darf die Swissair überall in der Europäischen Union fliegen, weitere W
Berlin/Zürich (taz/dpa) – Die Europäische Union und die Schweiz haben bei Verhandlungen über den grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehr einen Durchbruch erzielt. Die Unterhändler beider Seiten einigten sich am späten Freitag abend in Zürich auf eine lange umstrittene Transitgebühr. Sie soll für 40-Tonnen-Lastwagen vom Jahr 2005 an bei 200 ECU oder mindestens 325 Franken (rund 400 Mark) für jede Fahrt liegen.
Bisher dürfen nur Lastwagen bis zu einem Gesamtgewicht von 28 Tonnen die Schweiz durchfahren. Diese Vorschrift soll schrittweise bis 2005 aufgegeben werden. In den Jahren 2003 und 2004 werden insgesamt 300.000 Lastwagen mit 40 Tonnen Gewicht zugelassen. Das Nachtfahrverbot für Lastwagen in der Schweiz von 22 Uhr bis 5 Uhr bleibt.
EU-Verkehrskommissar Neil Kinnock ließ am Sonnabend in Brüssel erklären: Er werde dem EU-Ministerrat empfehlen, bei seiner nächsten Sitzung im März das Ergebnis zu billigen. Der Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger betonte, die schweizerische Verkehrspolitik könne so umgesetzt werden; die Abkommen mit der EU in anderen sechs Teilbereichen lägen nun in Reichweite.
Die ausgehandelte Gebühr ist nur halb so hoch wie ursprünglich von der Schweiz angestrebt. Laut einer Umfrage unter 134 Spediteuren wollen diese erst von der Straße auf die Schiene wechseln, wenn die Bahn den Transport mindestends um 100 Franken billiger garantiert, als die Kosten für eine Schweiz-Durchquerung per Autobahn betragen. Die Bahn ist aber derzeit mit betriebswirtschaftlichen Kosten von 560 bis 675 noch mindestens 360 Fränkli teurer. Bei einer Schwerverkehrsabgabe in der ursprünglich angepeilten Höhe von etwa 600 Franken wäre der von den Spediteuren genannte Vorteil für die Bahn erreicht gewesen. Weil nun die mit der EU ausgehandelte Abgabe aber nur 325 Franken beträgt, will der Staat die 1,1 Millionen Lkw-Transits pro Jahr mit 200 Millionen Franken Subventionen auf die Schiene umlenken.
Die Regelung des grenzüberschreitenden Verkehrs ist Teil eines umfassenden Abkommens zwischen der EU und der Schweiz, das auch Bedingungen für die Reisefreiheit der Bürger, das öffentliche Auftragswesen und die gegenseitige Anerkennung von Normen sowie die Zusammenarbeit bei Forschung und Landwirtschaft festschreiben soll. Die Fluggesellschaft SwissAir darf ab 2007 zahlreiche weitere Flughäfen in der EU anfliegen. Umstritten bleibt der freie Personenverkehr – vor allem unter den politisch rechtsstehenden Schweizern ist er unerwünscht.
Im Februar 1994 hatte ein Volksbegehren auf Betreiben der „Alpeninitiative“ die Verlagerung des Lkw-Verkehrs von der Straße auf die Schiene innerhalb von zehn Jahren in die Verfassung aufgenommen. Die Schweizer müssen deshalb in diesem Jahr über die Einigung mit der EU erneut abstimmen. „Nun kommt es darauf an, ob unser Bundesrat ein sinnvolles Konzept für die Umsetzung des Vertrags mit der EU vorlegt, meinte gestern Andreas Weissen, Präsident der Alpeninitiative. „Wenn nicht, werden wir eine Initiative zur Ablehnung des Vertrags starten.“ rem
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