■ Kuba: Der Papstbesuch hilft nicht nur der katholischen Kirche: Play it again, Karol!
Nur selten haben Stars oder Storys das Glück, daß ein „Remake“ des ersten großen Erfolges oder die Fortsetzung des Hits gelingt. Es ist eine Gnade, wenn der Nachfolge-Erfolg auf der Höhe des Originals bleibt. Woodstock II war eine Enttäuschung; die „Psycho“- oder „Alien“-Fortsetzungen mit denselben Hauptdarstellern fielen mit jeder Folge weiter ab. Und wir werden ja sehen, was aus „Blues Brothers 2000“ wird.
Auch Karol Wojtyla hat eine „mission from God“ – es ist schließlich sein Job als Stellvertreter. Die Zeit seiner Publikumserfolge in den Metropolen des Showbusineß ist freilich vorbei. Es könnte zwar sein, daß bald eine neue Konjunktur christlicher Spiritualität ansteht (das katholische Weltjugendtreffen im letzten Sommer war ein Erfolg), aber in den nachchristlich säkularisierten Demokratien des Westens ist man (und vor allem: frau) Johannes Pauls II. Botschaft überdrüssig geworden.
Doch dem Papst gelang sein Nachfolge-Erfolg in einem Schwellenland, zwischen der Armut der Dritten und der Anomie der Ersten Welt. Fast 20 Jahre nach seiner triumphalen Pilgerreise nach Polen wiederholt sich ein Szenario: mit anderen Akteuren, aber derselben charismatischen Logik.
Papst und Pilger Wojtyla hatte die freie Gewerkschaft und polnische Nationalbewegung „Solidarność“ moralisch gestärkt und doch zugleich die Politik des Runden Tisches von Regime, Kirche und Opposition gefördert – um so die nationale Katastrophe, den Bürgerkrieg in seinem Heimatland, zu verhindern. Der schleichende Zerfall des osteuropäischen Kommunismus wurde so zu einem Erfolg der politischen Freiheitsbotschaft der Menschenrechte – nicht jedoch, wie sich später zeigen sollte, der katholischen Moralauffassung in der Gesellschaft.
Nun, Comandante Castro ist nicht General Jaruzelski – die Chemie zwischen Papst und Fidel ist weitaus herzlicher. Und auch alles andere ist anders – Ausgangslage, Weltpolitik, Lage der Kirche und Spielräume des Regimes. Aber die Taktik des Heiligen Stuhls ist dieselbe geblieben. Die präzis kalkulierte charismatische Offensive des Papstes als Prophet und Seelenführer, der das nationale Idiom spricht, verband sich mit einer hart und professionell geführten Verhandlung der vatikanischen Diplomatie um universalistische Standards von religiöser, ziviler und politischer Freiheit.
Wie schon in seinen Sozialenzykliken verkündete auch hier der Heilige Vater seinen „dritten Weg“ des katholischen Solidarismus. Daß die Botschaft der katholischen Soziallehre zugleich kapitalismus- und sozialismuskritisch ist, ist natürlich für uns Europäer nichts Neues, aber in Kuba war es bisher unbekannt.
Die politische Neuheit des Papstes aber war ein anderes alteuropäisches Erbe: der christliche Nationalismus. Felix Varela, der 1853 im New Yorker Exil gestorbene (und demnächst wohl in Rom seliggesprochene) Priester und Gründungsvater eines kulturellen und konstitutionellen Nationalismus Kubas, wurde vom Papst in seinem Treffen mit den Intellektuellen in der Universität Havanna als Zeit- und Gesinnungsgenosse des Polen Mickiewicz präsentiert (der 1855 im Exil starb): Die gekreuzigte Volksseele Polens – so Mickiewic 1832 – werde bei ihrer Auferstehung „alle Völker Europas von der Sklaverei befreien“. Die Nation Kuba, so der Papst, habe eine christliche Seele.
Nun: Indem sie für die Kirche eine öffentliche Rolle einklagt, erobert die Medienoffensive des Heiligen Vaters den öffentlichen Raum für alle – konkurrierende Konfessionen, Baptisten und synkretistische Kulte eingeschlossen. Noch hat die katholische Kirche hier einen Konkurrenzvorteil, als funktionierende Internationale und Seelenführerin mit der längsten Erfahrung. Auch das Politbüro der katholischen Internationale war auf dem Platz der Revolution massiv vertreten: 15 Kardinäle und 132 Bischöfe. Aber der Hl. Geist weht, wo er will. Der Papst wiederholte dies zwar auf lateinisch. Aber es könnte sein, daß die Weltsprache des Heiligen Geistes längst Englisch ist. Otto Kallscheuer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen