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Eine solide Plattform für die Entsorgungsindustrie

■ Tiefseegräber sind out, die geplante Entsorgung an Land ist technisch machbar und könnte Schule machen. In den nächsten Jahren müssen über 300 Nordsee-Bohrinseln abgebaut werden

Wie eine gigantische Weinflasche schwimmt die Brent Spar seit Sommer 1995 im norwegischen Erfjord. Scharen von Ingenieuren haben sich seitdem den Kopf zerbrochen, wie man diesen Koloß aus 14.500 Tonnen Stahl und Beton sicher und sauber an Land entsorgen kann. Mit dem Konzept des britisch-norwegischen Konsortiums Wood-GMC habe Shell jetzt die technisch beste und umweltverträglichste Option ausgewählt, sagt Shell-Manager Heinz Rothermund. Dafür ist Shell auch bereit, tief in die eigene Tasche zu greifen: Rund 70 Millionen Mark soll die Entsorgung kosten.

Wood-GMC will die 137 Meter hohe Brent Spar noch im Erfjord zerlegen. Dafür wird eine riesige Hebebühne unter die Brent Spar montiert, die über Stahlseile mit zwei schwimmenden Pontons verbunden ist. Stück für Stück wird die Anlage dann aus dem Wasser gezogen und oben scheibenweise abgeschnitten. Diese Ringe von etwa 1.000 Tonnen Gewicht werden mit Lastkähnen nach Mekjarvik nahe der Hafenstadt Stavanger geschleppt. Von Schmutz und Schadstoffen gereinigt, sollen sie dort als Stahlfundamente für einen neuen Fähranleger dienen. Auf diese Weise werden Geld, Material und Energie für ein neues Fundament gespart. Nur die Deckaufbauten werden verschrottet. Daß das Konzept von Wood- GMC das Rennen gemacht hat, ist kein Zufall. Im Vergleich mit den fünf Alternativen zur Landentsorgung und mit der Tiefseeversenkung hatte es von der norwegischen Gutachterfirma DNV durchweg gute Noten erhalten. Mit der Entsorgung sind nur geringfügige Schadstoffemissionen verbunden. Der Anteil des wiederverwendeten Materials liegt bei 85 Prozent. Und die technischen Risiken werden im Vergleich zu den anderen Optionen als die geringsten eingestuft. Das liegt vor allem daran, daß die Brent Spar nicht in die Waagerechte gekippt wird, wie dies in drei Konzepten vorgesehen war. Denn der Öltank der Anlage ist so filigran gebaut, daß sie leicht durch den Druckunterschied beim Kippen zerbrechen könnte.

Aufgrund dieser Bauweise ist die Brent Spar zwar ein Unikum. Doch für die Entsorgungsindustrie könnte sich ihre Zerlegung bezahlt machen. In der Nordsee befinden sich zur Zeit etwa 430 Ölbohrinseln, von denen rund drei Viertel in seichtem Wasser bis zu 75 Meter Tiefe stehen. Nach den seit 1989 geltenden Richtlinien der International Maritime Organization müssen diese Plattformen vollständig von ihrem Standort entfernt werden. Daß es hierfür bessere Möglichkeiten gibt als ein Tiefseegrab im Nordostatlantik, zeigt die Bandbreite der Brent-Spar-Konzepte. Niels Boeing

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