: Fit for Chance
Wenn Unternehmen verschlanken und umorganisieren müssen, setzen sie zunehmend Psychologen ein. Denn der grundlegende Umbau soll reibungslos ablaufen. Bereits 5.000 Psychologen arbeiten in Firmen ■ Von Andreas Kather
Die Phasen gemütlicher Geschäftigkeit sind in Unternehmen vorbei. „In Zukunft gibt es nur noch Krisen- und Aufbauzeiten in Unternehmen“, prognostiziert Andreas Stockert von der Geschäftsleitung der Kienbaum Unternehmensberatung. Organisationen werden verschlankt; hier das Schreibbüro aufgeteilt, dort das mittlere Management abgeschafft und morgen eine Abteilung als selbständige Einheit aus der Unternehmensstruktur entlassen. Zu spät reagieren viele Unternehmen auf die Wellen des Marktes, oft erst, wenn die Karre schon ordentlich festgefahren ist.
Tiefgreifende Umbauten von Unternehmen sind eine knifflige Angelegenheit. Oft ziehen die Mitarbeiter nicht richtig mit, das Betriebsklima verschlechtert sich, die Arbeitsproduktivität nimmt ab. Damit solche Prozesse reibungslos laufen, sind Menschen mit sozialem Einfühlungsvermögen gefragt, die als Prozeßbegleiter fungieren. „Die Durchführung von Sanierungsprogrammen in Unternehmen ist zu 50 Prozent Psychologie“, sagt Stockert. Deshalb habe Kienbaum von allen großen Beratungen die meisten Psychologen in der Beratercrew.
Daß Psychologen an Umstrukturierungsmaßnahmen in Unternehmen mitwirken, ist relativ neu. Ihr Einsatz resultiert aus der Erfahrung, daß das betriebswirtschaftliche Handeln allein häufig zuviel sozialen Lärm und Widerstände in der Mitarbeiterschaft produziert. Externe Unternehmensberater, die von außen in bestehende Strukturen eingreifen, haben oft wenig Gespür für gewachsene Strukturen, wie Susanne Kohnen, Personalreferentin in einem Versicherungsunternehmen, sagt: „Wenn eine Unternehmensberatung reinkommt und alles zerkloppt, dann ist das sicherlich eine negative Auswirkung und wird womöglich auch boykottiert.“
Kaum überraschend, daß mittlerweile nach Angaben des Berufsverbandes der Deutschen Psychologen (BDP) rund 5.000 Psychologen in und für Unternehmen arbeiten. In Personalentwicklung, betrieblicher Weiterbildung oder in der Unternehmensberatung; sie coachen Führungskräfte oder machen als Out-placement-Berater die hochqualifizierten Verlierer fit für einen neuen Arbeitsplatz.
„Die Menschen müssen sich heute ständig verändern, in einer immer kürzeren Zeit“, stellt der Psychologe Michael Franke, seit sieben Jahren als Trainer und Berater beim ibo-Institut in Gießen, fest. „Früher war es noch verbreiteter, zu glauben, daß es reiche, wenn Veränderungen angeordnet werden.“ Dabei müssen Veränderungen von Widerständen begleitet werden, sonst stimmt etwas nicht – eine Binsenweisheit aus der Organisationspsychologie. „Die Leute müssen Veränderungskompetenz im Arbeitsleben entwickeln“, so Franke. Das heißt, lernen, flexibel und situationsangemessen zu handeln. In Training und Beratung wird das geübt.
Es ist noch eine junge Beziehung zwischen Psychologen und Unternehmen, hier und da auch mit allerlei Vorbehalten. Sie problematisierten zuviel, seien in der Anwendung des Fachwissens zu praxisfern und in der Sprache zu abgehoben, kritisierten gelegentlich die eigenen Berufskollegen. „Daß man mit so einem ganz vernünftig reden kann, ist für viele Mitarbeiter im Wirtschaftsleben noch eine neue Erfahrung“, sagt Hagen Seibt, selbständiger Psychologe eines Beratungsunternehmens aus Wuppertal. Oft wird deshalb nicht der diplomierte Psychologe gesucht, sondern einer mit psychologischer Kompetenz und betrieblicher Erfahrung. Betriebswirte haben zwar ein besseres Image, berücksichtigen aber nicht genug die psychischen und sozialen Wechselwirkungen im Betrieb, wie Franke beobachtet hat.
Klaus Höfele, Personalentwickler bei der Münchener Hypobank, rät dem Nachwuchs, sich Feldkompetenz anzueignen; eine Lehre im kaufmännischen Bereich oder ein Zusatzstudium in der Personalwirtschaft können die Chancen von Psychologen verbessern.
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