: Entweder zu jung oder zu süchtig
■ Jugendliche Drogenabhängige fallen oft durch das vorhandene Hilfenetz, ergab eine Studie. Heroinkonsum deutlich höher als bislang angenommen. Großer Anteil junger Frauen
Die Situation von Straßenkids in der „offenen“ Drogenszene ist alarmierender als angenommen. So gibt es quantitativ mehr Betroffene, der Drogenkonsum ist härter und die Erreichbarkeit durch Jugendeinrichtungen deutlich schlechter, als es die Senatsverwaltung für Jugend und Familie bislang einschätzte.
Überraschend ist auch der hohe Anteil von Mädchen und jungen Frauen in der Szene, von denen rund neunzig Prozent minderjährig sind. Dies sind Ergebnisse der gestern vorgestellten Feldanalyse. Erstellt wurde die Studie durch den „Arbeitskreis Jugend und Drogen“, der sich aus Mitarbeitern des Bezirksamtes Charlottenburg, der Treberhilfe, des Drogenprojekts „Strass“ und diverser anderer Streetwork-Einrichtungen zusammensetzt.
Im Rahmen der Untersuchung wurden 123 Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren angehalten, Fragebogen zu Alter, Drogenkonsum und Kontakt zu Hilfeeinrichtungen auszufüllen. „Die Analyse war notwendig“, so Birgit Maatsch vom Bezirksamt Charlottenburg. „Minderjährige, obdachlose Konsumenten harter Drogen werden vom Bericht der Senatsverwaltung für Jugend und Familie so gut wie nicht erfaßt.“ Dort wird die betreffende Altersgruppe auf Cannabis- oder Ecstasy-Konsum untersucht und ein Trend zu letzterem festgestellt. Zum Thema „harte Drogen“ (denen Ecstasy nicht zugerechnet wird) heißt es dagegen, der Heroinkonsum stagniere, das Alter der Konsumenten liege durchschnittlich bei 30 Jahren, und 64 Prozent seien männlich.
Dem widerspricht die vorgelegte Analyse: Von 123 Befragten waren 70 weiblich, von diesen wiederum 62 unter 18 Jahren. 80 Prozent der Gesamt-Befragten gaben an, Heroin zu konsumieren, 57 Prozent bekannten sich zum Kokainkonsum.
Als „besonders gefährlich“ aber empfindet Jürgen Safracheg vom Szeneladen für Junkies „Strass“, die geringe Erreichbarkeit der Kids für Hilfe von außerhalb. Nur etwa 9 Prozent hätten Kontakt mit Drogenhilfe-Einrichtungen und 25 Prozent zu Jugendhilfeprojekten. Die Hälfte der Befragten gab an, lediglich mit Streetworkern vor Ort in Kontakt zu sein.
„Die Analyse rennt bei uns offene Türen ein“, sagte dazu Christine Köhler-Azara vom Drogenreferat der Senatsverwaltung Jugend und Familie. „Wir sehen durchaus den Bedarf, vor allem an verstärkter Kommunikation zwischen Jugend- und Drogenhilfe, denn es gibt tatsächlich eine Klientel, die genau dazwischenfällt.“ Man könne eine Feldanalyse allerdings nicht mit dem repräsentativen Drogenbericht ihrer Behörde vergleichen. Tobias Riegel
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