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"Groteske Finanzfummelei"

■ Der alljährliche Wirtschaftsgipfel im noblen Schweizer Skiort Davos hat begonnen. Die Mächtigen aus Regierung und Weltwirtschaft streiten über die Ursachen der Asienkrise

Davos (AP/rtr/taz) – Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos hat es am Freitag einen scharfen Disput über die Finanzkrise in Asien gegeben. Während der stellvertretende japanische Finanzminister Eisuke Sakakibira sagte, das Ende der Probleme sei in Sicht, erklärte einer der führenden amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler, Rudiger Dornbusch, das Schlimmste stehe noch bevor.

Zwischen Sakakibira und Dornbusch, der eine tragende Rolle bei der Bewältigung der Mexikokrise gespielt hatte, wurden auch fundamentale Unterschiede bei der Benennung der Ursachen deutlich. Der stellvertretende Finanzminister warf internationalen Banken vor, mit riskanten Krediten die Krise angeheizt zu haben. „Das ist eine Krise des globalen Kapitalismus, und zwar sowohl von Gläubigern und Schuldnern“, sagte er. Der öffentliche Sektor habe sich in diesen Ländern – insbesondere Süd-Korea, Thailand und Indonesien – relativ vernünftig verhalten.

Dornbusch entgegnete, die Asienkrise sei das Ergebnis „des Kryptokapitalismus, von Raffke- Regierungen, die versäumt haben, ihren Finanzmarkt zu regulieren“. Dornbusch warf Japan vor, mit seinem Vorschlag, Geld in die krisengeschüttelten Finanzinstitutionen zu pumpen, „eine groteske Finanzfummelei“ vornehmen zu wollen. Notwendig seien dagegen massive Steuerkürzungen.

Der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Kohlhaussen, forderte Japan auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. Japan habe zu lange die Weltwirtschaft als Einbahnstraße betrachtet, kritisierte er.

Der Disput am Freitag folgte wesentlich optimistischeren Einschätzungen vom Donnerstag, an dem das sechstägige Treffen eröffnet wurde. Da hatte Bundeskanzler Helmut Kohl den angeschlagenen Tigerstaaten noch attestiert, sie würden aufgrund ihrer enormen Leistungen in den vergangenen Jahren schnell wieder aus der Krise herausfinden. Auch der malaysische Ministerpräsident Chuan Leekpai äußerte die „feste Zuversicht“, daß Südostasien bald wieder eine Triebfeder des Wirtschaftswachstums in der Welt sein werde.

Anatoli Tschubais, erster stellvertretender Ministerpräsident Rußlands, sagte gestern am Rande des Weltwirtschaftsforums, Rußland werde keinen Notstandskredit beim Internationalen Währungsfonds oder einer privaten Bank beantragen. Es gebe jedoch ein Defizit im russischen Staatshaushalt. Rußland wolle sich ausländisches und russisches Kapital zur Deckung dieses Defizits suchen, plane aber keine Notstandsfinanzierung.

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