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Mehr Lohnfreiheit für Betriebe

Lafontaine fordert flexiblere Löhne im Osten. Arbeitnehmer müssen am Unternehmensgewinn beteiligt werden. ABM-Stellen sollen bleiben  ■ Aus Bonn Ariel Hauptmeier

Der SPD-Parteivorsitzende Oskar Lafontaine hat gestern gefordert, die ostdeutschen Tarifabschlüsse der Preissteigerungsrate anzupassen. Außerdem sollen die Flächentarife flexibler gestaltet werden. „Einzige Formel bei der Lohnpolitik muß die Orientierung an der Produktivität der Unternehmen sein“, sagte Lafontaine anläßlich der Vorstellung eines Aktionsprogrammes für Ostdeutschland. Weil die Leistungsfähigkeit der Firmen dort sehr unterschiedlich sei, müsse „der Handlungsspielraum auf betrieblicher Ebene erweitert werden“.

Lafontaine erneuerte seine Forderung, die ostdeutschen Arbeitnehmer am Gewinn der Unternehmen zu beteiligen. „Der mit den Steuermitteln der Arbeitnehmer unterstützte Aufbau Ost darf nicht nur zur Vermögensbildung West führen.“ Lafontaine machte den „geringsten Lohnzuwachs seit Jahrzehnten“ für die schlechte Binnenkonjunktur und damit die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Das Zehn-Punkte-Programm mit dem Titel „Eine neue Chance für Ostdeutschland“ soll Teil des SPD-Regierungsprogramms werden. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe sagte verbindlich zu, daß die SPD bei einem Regierungswechsel die Arbeitsförderung wie die bestehenden ABM-Stellen und Lohnkostenzuschüsse um mindestens vier Jahre verlängern will. „Nur so läßt sich Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland verhindern“, sagte Manfred Stolpe. Weil viele Förderprogramme im letzten Jahr ausgelaufen seien, sei Arbeitslosigkeit stark angestiegen.

Die SPD strebt an, die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen im Osten zu verbessern. Industrienahe Forschung soll ausgeweitet, Risikokapital steuerlich begünstigt werden. Den gegenwärtigen „Förderdschungel“ will die SPD vereinfachen und zentral koordinieren. Der schlechte Export ist nach Manfred Stolpes Worten die „größte Schwäche“ der ostdeutschen Industrie. Eine Werbeoffensive im Ausland, unter anderem von deutschen Botschaften, soll hier für Abhilfe sorgen. Die einzige Erfolgsbranche im Osten, die Landwirtschaft, dürfe nicht durch die Rückgabe von Ländereien gefährdet werden, sagte Stolpe.

Laut SPD wurde in den letzten Jahren bei der Förderung von Wohnungen und Büros übertrieben. Sie will darum „stärker als bisher“ Industrie und Gewerbe fördern. Mehr Steuereinnahmen durch den Wegfall von Subventionen sollen das Zehn-Punkte-Programm finanzieren. „Wir brauchen wieder Stetigkeit im Steuerrecht“, sagte Lafontaine.

Er kündigte an, daß ein SDP- Kanzler den Aufbau Ost zur „Chefsache“ machen und eine zentrale Koordinierungsstelle für die „Zukunft Ost“ im Kanzleramt einrichten würde. Deren Aufgabe sei an erster Stelle, die Verwendung der Fördermittel zu kontrollieren.

Bei der Vorstellung des Programms äußerte sich Lafontaine auch zum Großen Lauschangriff. Er forderte Bundeskanzler Kohl auf, den Weg für Nachbesserungen freizumachen. „Politische Zielsetzung der SPD bleibt, den Kreis geschützter Personengruppen zu erweitern“, sagte Lafontaine. Die Wohnungen von Ärzten, Rechtsanwälten und Journalisten dürften nicht abgehört werden. Kommentar Seite 12

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