: Reinke muß auch mal einen halten
Nach dem 1:1 bei Schalke stellt sich selbst für Otto Rehhagel die Frage, ob Kaiserslauterns Manko auf dem Weg in die Champions League nicht doch der Torhüter ist ■ Von Katrin Weber-Klüver
Gelsenkirchen (taz) – Kaum ist die Winterpause vorbei – beginnt der Winter. Berufsfußballer trifft das besonders hart, weil sie die letzten Wochen kuschelig bei Hallenturnieren und im südeuropäischen Trainingslager verbracht haben. Es war also nicht wirklich zu erwarten, daß der Uefa-Cup-Sieger FC Schalke 04 und der Tabellenführer 1. FC Kaiserslautern beim Kaltstart in den 21. Spieltag gleich ein Spitzenspiel hinlegen würden. Die Partie strafte die Prognose keine Lügen.
Otto Rehhagel fand das mäßig heruntergespielte 1:1 sogar „schön“, regte allerdings angesichts des matschgefrorenen Rasens an, die Schalker sollten beim geplanten Stadionneubau an eine Rasenheizung denken. Und während sich die Spieler auf dem Platz 90 Minuten lang kiebig geschubst, cholerisch beschimpft und nickelig getreten hatten, bestand zwischen Rehhagel und seinem Kollegen Huub Stevens Einigkeit, daß dieses Remis ein gerechtes war. Es hält die Statistik in der Balance: Jeder Club hat in diesem Duell 19 Mal gewonnen und nun 20 Mal unentschieden gespielt. Und es erhält den Status quo: Kaiserslautern auf Platz eins, Schalke 04 auf dem letzten Uefa-Cup-Rang.
Die Pfälzer haben allerdings zwei Punkte Vorsprung auf Bayern München verloren. Da sich bei Kaiserslautern während sechswöchiger Kontemplation über die Bestimmung eines Tabellenführers die Meisterschaftsvision verfestigt hat, könnte dieser mäßige Start Nervosität verursachen. Tut er nicht. Denn der Pfälzer an sich und der assimilierte insbesondere denkt positiv. Wie Mannschaftskapitän Ciriaco Sforza belegt: „Wir sind immer noch die Ersten – vor uns ist niemand.“ Das wäre allerdings auch bei einer zweistelligen Niederlage so gewesen.
Weshalb die wohl auf Schadensbegrenzung angelegte Zielvorgabe für das Gastspiel bei der defensivstärksten Elf der Liga ursprünglich gelautet hatte, „nicht zu verlieren“ (Sforza). In der ersten Halbzeit schlich sich allerdings keck die Idee ein, „unbedingt zu gewinnen“ (wieder Sforza). Nach neun Minuten nutzten die Lauterer die Platzverhältnisse sowie Nachlässigkeiten der Schalker Thomas Linke und Marco van Hoogdalem. Sforza paßte zu Marian Hristov, der traf via Innenpfosten ins Netz. Und Sforzas Gegenspieler van Hoogdalem war „sauer auf mich selbst, weil ich ein Foul hätte machen müssen“.
Seine Wut arbeitete der Holländer produktiv noch im Spiel ab, als er nach einer Stunde per Direktabnahme aus knapp 30 Metern den Ausgleich schoß. Spekulationen, daß der Schuß zu jenen gehörte, die ein begabterer Torhüter als Andreas Reinke gehalten hätte, machten Rehhagel zwar knarzig. Dennoch bekannte er, daß die „80 Prozent“ Leistungsvermögen Reinkes auf dem Weg zum Titel ein echtes Manko seien. „Wenn wir auswärts gewinnen wollen, muß er auch mal einen Unhaltbaren halten.“
Mannschaftlichen Willen, ihrem Torwart möglichst viel Arbeit abzunehmen, hatten die Gäste vorbildlich in der ersten Halbzeit gezeigt, als sie die – allerdings auch nicht eben cleveren, lediglich zahlreicheren – Schalker Angriffsbemühungen vorzugsweise mit einer Siebener-Abwehrreihe abblockten. Das gleichzeitige kühle Warten auf Konter führte derweil nur noch zu zwei Torchancen. Später verließ der Offensivmut die Lauterer ganz. Sforza beschrieb den dritten Teil der variablen Zielvorgaben: „In der zweiten Halbzeit wollten wir das Spiel über die Bühne bringen.“ Vor allem der Spielmacher selbst hielt sich zurück, sowohl mit gestalterischen Eingriffen als auch mit theatralischen Einlagen und dem, was er selbst „schlitzohrig“, andere eher unfair nennen.
Hingegen kamen die Schalker nun wenigstens für 20 Minuten in Schwung und gaben ihrem steifgefrorenen Anhang Gelegenheit, sich beim Anblick tapferer Kombinationsbemühungen singend etwas zu wärmen.
Stevens machte der Mannschaft ein Kompliment für deren „Dampf“ und forderte: „So muß es weitergehen.“ Rehhagel lobte gleich den gesamten Verein Schalke 04 und prognostizierte den Gewinn des Meistertitels in fünf Jahren. Aktuell geht es bei dieser Frage eher um seine eigenen Ambitionen. Zwar spricht er nicht gern über den Titel, haben möchte er ihn aber doch, wie er verriet, als er am Sonnabend ein gravierendes mental-mathematisches Problem bekanntgab: „Meister wird, wer am meisten Punkte hat, aber die anderen verlieren gegen Bayern immer.“
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