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Karadžićs Partei jetzt völlig entmachtet

Die Republika Srpska hat eine neue Regierung, die nationalistischen Extremisten aus Pale sind abserviert. Damit ist eine politische Wende für die serbisch kontrollierten Gebiete Bosniens eingeleitet  ■ Aus Banja Luka Erich Rathfelder

Mit gesenkten Köpfen zogen serbischen Extremisten aus dem Saal. Als am Samstag nachmittag in Banja Luka im Parlament der Republika Srpska (RS) die Entscheidung fiel, die neue Regierung zu vereidigen, wurde eine Wende in der Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina vollzogen. Nun wird es eine Regierung der demokratischen, nicht nationalistischen Kräfte geben.

Für manche der Abgeordneten der bisher herrschenden, nationalistischen „Serbischen Demokratischen Partei“ (SDS) brach eine Welt zusammen. Für die Teilung Bosnien-Herzegowinas haben sie einen Krieg geführt, die Republika Srpska mit Serbien zu einem großserbischen Staat zu vereinigen war ihr Lebensziel. Begleitet von den für sie höhnisch klingenden Worten eines demokratischen Abgeordneten, „Ihr habt eure Chance verspielt, jetzt haben wir die Macht“, zogen sie verbittert aus dem Saal. „Die Fundamente der Republika Srpska sind zerbrochen; die Demokraten haben unseren Staat an die internationale Gemeinschaft verkauft“, erklärte Mirko Blagojević, einer ihrer Sprecher. Der Trost von Aleksa Buha, Nachfolger von Radovan Karadžić als Vorsitzender der SDS, „dann werden wir eben die Wahlen im Herbst gewinnen“, mochte niemanden so recht überzeugen.

Auch die mit ihnen verbündeten Abgeordneten der „Radikalen Partei“ nicht. Parteichef Nikola Poplasen, ein Parteifreund des serbischen Extremisten Vojislav Šešelj, blieb bei der Zeremonie im Saal. Und signalisierte damit erstmals Distanz zur SDS. Doch selbst die alte Regierungspartei wird lediglich im „Rahmen der Legalität“ und nicht mehr, wie noch vor wenigen Tagen befürchtet, mit Waffengewalt kämpfen. Zwar wurden noch vor der Machtübergabe die Staatskassen geplündert, verschwanden wichtige Akten aus den Ministerien. Und es ist nach wie vor nicht klar, ob die Polizei und die anderen Behörden in den von Radikalen beherrschten Regionen in Ostbosnien nicht doch noch Widerstand leisten. Die Führung aber hat eingesehen, daß die Spaltung der Republika Srpska keine Perspektive hat. Der Druck der internationalen Gemeinschaft, die Entscheidung, das Mandat der SFOR- Truppen zu verlängern, habe zu dieser Haltung beigetragen, erklärte der Vertreter des Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft, Hanns Schumacher, am Rande der Parlamentsdebatte. Auch der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević unterstütze den neuen Regierungschef.

Der starke Mann in Belgrad hat wieder einmal Flexibilität bewiesen. Denn Milorad Dodik, der 38jährige neue sozialdemokratische Regierungschef, ist kein Parteigänger der von Milošević kontrollierten Sozialistischen Partei der Republika Srpska. Dodik war in der Vergangenheit nicht nur Kritiker der Extremisten in Pale, sondern auch ein Kritiker Miloševićs. In Banja Luka ansässig, gehörte der Politiker lange vor dem Krieg zu den Anhängern des ehemaligen jugoslawischen Ministerpräsidenten Ante Marković, die sich scharf gegen Miloševićs Vision eines von Serbien kontrollierten Jugoslawiens stellten, und für Reformen eintraten.

In der Stunde seines Triumphs wandte Dodik sich gegen jeden Triumphalismus. „Jetzt müssen wir unsere Chance nutzen, die Republika Srpska zu einem demokratischen Gemeinwesen umzubauen, wir müssen die Wirtschaftsreformen einleiten, wir müssen das Abkommen von Dayton erfüllen.“

Anpacken, aufbauen, den Menschen wieder eine Perspektive geben. Die 20köpfige Ministerriege entspricht diesem Inhalt. Der neue Finanzminister Novak Kondić gilt als weltoffener Fachmann, der ehemalige Generalstabschef und neue Verteidigungsminister Manojlo Milovanović als feste Stütze der neuen Regierung. Zu den ersten Beschlüssen der neuen Regierung gehörte, daß die Hauptstadt der Serbenrepublik von Pale, der Hochburg Karadžićs, nach Banja Luka verlegt wurde. Gleichzeitig wurden 33 Gesetze annulliert, die auch Grundlage für die Verhinderung der Rückkehr von Muslimen und Kroaten waren.

So wird sich Dodiks Regierung nicht nur auf die Abgeordneten der Sozialisten, der Unabhängigen Sozialdemokraten, der Volksallianz der Präsidentin Biljana Plavšić stützen, sondern auch auf die von den Vertretern der im Krieg vertriebenen Kroaten und Bosniaken. Aus den vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember letzten Jahres als drittstärkste Fraktion im 84 Sitze umfassenden Parlament hervorgegangen, haben diese Abgeordneten für die Regierung gestimmt. Sie erwarten nun nach den Worten ihres Sprechers Safet Beco „Taten und nicht nur Worte. Wir geben der Regierung einige Zeit zur Konsolidierung. Aber dann müssen die Maßnahmen kommen, die eine Rückkehr der Vertriebenen möglich machen.“

Nach den Worten Schumachers ist jetzt nicht mehr auszuschließen, daß es in wenigen Monaten bosniakische oder kroatische Minister in der Republika Srpska geben wird. Dodik hat sich in seiner Regierungserklärung klipp und klar für die Einhaltung des Abkommens von Dayton ausgesprochen. Das schließt die Rückkehr der Vertriebenen wie die Auslieferung von Kriegsverbrechern mit ein.

Daß Dodik es ernst meint mit der Demokratisierung, zeigen seine Kontakte zur „anderen Seite“, die auch während des Krieges nie abgerissen sind. Eine sozialdemokratisch ausgerichtete Partei für das gesamte Bosnien- Herzegowina könnte bald entstehen.

Vor übereilten Hoffnungen auf eine Reintegration des gesamten Staats sei jedoch gewarnt, heißt es aus diplomatischen Quellen in Sarajevo. Mit Dodik seien zwar die nationalistischen Extremisten entmachtet worden. Die Existenz der Republika Srpska als Staat jedoch werde im Gegensatz zur Meinung der Extremisten durch Dodiks Politik letztlich gerettet.

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