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Hoffen auf die Gnade

Ein neuer Fall für Kinkel: Der deutsche Händler Helmut Hofer wurde in Teheran wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt  ■ Von Thomas Dreger

Klaus Kinkel zeigte sich „schockiert“ und warnte vor einer neuen Belastung des deutsch-iranischen Verhältnisses. Anlaß für die Gefühlswallungen des Bundesaußenministers war ein Todesurteil in Teheran. Am Wochenende wurde bekannt, daß ein iranisches Kammergericht vergangenen Montag den 56jährigen Geschäftsmann Helmut Hofer zur Steinigung verurteilt hat – wegen Ehebruchs. Angeblich hatte der Norddeutsche Geschlechtsverkehr mit der 26jährigen Medizinstudentin Wahideh Kassemi. Hofer bestreitet das. Die Iranerin wurde zu Auspeitschung verurteilt.

Die beiden Verurteilten wurden bereits im September vergangenen Jahres auf dem Teheraner Flughafen verhaftet. Kassemi soll wegen ihrer für iranische Verhältnisse lockeren Bekleidung aufgefallen sein. Darauf angesprochen, sagte sie, sie erwarte ihren deutschen Verlobten. Der dementierte die Verbindung. Lediglich einmal geküßt habe er die Studentin. Doch das schützte beide nicht vor der Inhaftierung.

Ausschlaggebend für das Urteil sollen drei vom Gericht angeordnete medizinische Untersuchungen Kassemis gewesen sein. Nach den ersten beiden soll sie Jungfrau gewesen sein, erst die dritte Untersuchung ergab: Defloration vollzogen.

In Teheran hieß es gestern, Hofer habe den iranischen Behörden mitgeteilt, er wolle seine angebliche Geliebte heiraten. Bereits am Wochenende hatte es geheißen, Hofer bezeichne sich als Muslim. Schließlich sei er in zweiter Ehe mit einer Türkin verheiratet gewesen. Doch die Ehe scheiterte.

In Lokstedt bei Hamburg handelte der Geschäftsmann mit Autoteilen. Im ostiranischen Maschhad kümmerte sich Hofer um den Export von Pistazien und Sauerkirschen. In Maschhad soll er auch Kassemi kennengelernt haben.

Die iranische Regierung verbittet sich jede ausländische Einmischung in den Fall. Hofer sei von einer „qualifizierten juristischen Instanz und in Übereinstimmung mit allen rechtlichen Bestimmungen“ der Prozeß gemacht worden, sagte Außenamtssprecher Mahmud Mohammadi am Wochenende. Es sei unangebracht, das Urteil mit den beiderseitigen diplomatischen Beziehungen in Verbindung zu bringen. Genau die wird Klaus Kinkel jedoch hinter den Kulissen in die Waagschale werfen müssen, um Hofer zu retten.

Beobachter im Iran spekulieren darüber, warum die unerwartete Urteilsverkündung gerade jetzt kommt. Das Todesurteil sei eine späte Rache für das Berliner „Mykonos“-Urteil gegen die iranische Staatsführung, meinen einige. Andere glauben, mit dem Urteilsspruch wollten Irans Konservative ihrem Gegner, dem vergleichsweise moderaten Präsidenten Mohammad Chatami, einen Dämpfer verpassen – wenige Tage nach der Freilassung des Schriftstellers Faradsch Sarkuhi.

Nach Informationen von Menschenrechtsorganisationen ist in den letzten Jahren die Zahl der Hinrichtungen im Iran dramatisch gestiegen. Laut dem letzten Bericht des UN-Sonderberichterstatters über die Lage der Menschenrechte im Iran, vom Oktober 1997, wurden zwischen Januar und September vergangenen Jahres 137 Personen exekutiert, die Dunkelziffer soll wesentlich höher liegen. Deutsche sind – der Intervention des Auswärtigen Amtes sei Dank – bisher jedoch nicht von Hinrichtungen betroffen. Zuletzt paukte Kinkel 1994 den deutschen Helmut Szimkus aus dem Teheraner Todestrakt. Der Ingenieur hatte zuvor gestanden, während des iranisch-irakischen Krieges für den Irak spioniert zu haben.

Ein potentieller Retter Hofers packte gestern bereits die Koffer: Jürgen W. Möllemann. Der selbsternannte Nebenaußenpolitiker der FDP wollte noch am gleichen Tag nach Teheran fliegen.

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