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Legachef Bossi unter Anklage – per Lauschangriff

■ Der norditalienische Sezessionistenführer soll den bewaffneten Kampf vorbereitet haben

Großer Wirbel um Abhöraktionen der italienischen Behörden. Im Zuge der Ermittlungen gegen die sezessionistische Lega Nord haben Staatsanwälte offenbar auch Gespräche von Abgeordneten mitgeschnitten, was laut Gesetz verboten ist. Die Rechtfertigung der Strafverfolger: Abgehört worden seien nicht die Telefone der Volksvertreter, sondern anderer Lega-Mitglieder, die der Vorbereitung zur bewaffneten Abspaltung von Italien verdächtigt werden. Wenn diese mit Abgeordneten telefoniert hätten, habe man die Aufzeichnung nicht gestoppt. Die Schwere der Vorwürfe, deretwegen die Staatsanwälte Ende voriger Woche Anklage gegen Lega- Führer Umberto Bossi und 40 weitere Personen erhoben hatten, erzwinge nach Ansicht der Ermittler die Benutzung auch der Gespräche mit Abgeordneten zu Beweiszwecken. Erst durch die Einführung der Mitschnitte in die Anklageschrift wurde die Abhöraktion denn auch publik.

Daß Bossi ein Verfassungsfeind ist, steht außer Zweifel. Die Konflikte, die sich nun im Zuge der einschlägigen Abhöraktionen ergeben haben, sind aber unabhängig von dem konkreten Fall einer bewaffneten Sezession zu betrachten – als Lehrstück dafür, wie leicht sich die Garantien gegen den Lauschangriff aushebeln lassen.

Tatsächlich hat sich ausweislich der Gesprächsabschriften insbesondere Bossi selbst in den Gesprächen ziemlich unzweideutig für eine Ausweitung der Proteste bis hin zum bewaffneten Kampf ausgesprochen. Meist waren es Anweisungen für die Mitglieder der vor zwei Jahren ins Leben gerufenen „Padanischen Garde“, die offiziell nur als Ordnungsdienst firmiert, laut Bossi aber demnächst in eine eigene norditalienische Polizei umgewandelt werden soll – was natürlich Verfassungsbruch wäre. In einem der Mitschnitte soll Bossi gar den Einsatz von Maschinengewehren erwogen haben.

Möglicherweise hat sich die Anklage jedoch einen Bärendienst erwiesen: Bossis Anwälte haben nicht nur sofort Anzeige gegen alle Beteiligten erstattet, sondern verlangen auch die Ablösung der federführenden Staatsanwaltschaft von Verona und die Zuweisung zu einem anderen Gerichtssitz. Dafür kämen zunächst die Gerichte von Mantua, Vicenza, Brescia und Trient in Frage – alles Städte, in denen die Sezessionisten erheblich mehr Einfluß haben als im romtreuen Verona. Werner Raith

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