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Rote Robe, ganz schnell

■ Der Neue am Verfassungsgericht kommt von der CSU und wird aus dem Stand Vizepräsident

Freiburg (taz) – Der kommende Mann am Bundesverfassungsgericht heißt Hans-Jürgen Papier und ist Mitglied der CSU. Heute wird der renommierte Münchener Rechtsprofessor im Bundestag zum Verfassungsrichter gewählt. Am Freitag folgt im Bundesrat die Berufung zum Vizepräsidenten des Gerichts. Präsident wird er zwar vermutlich auch noch, allerdings erst, wenn Jutta Limbach (SPD) ausscheidet, was regulär für das Jahr 2002 vorgesehen ist. Dann bliebe dem heute 54jährigen Papier immerhin noch eine achtjährige Amtszeit an der Spitze der Roten Roben.

Solche Blitzkarrieren sind in Karlsruhe nicht unüblich. Jutta Limbach wurde vor drei Jahren sogar aus dem Stand zur Präsidentin des Gerichts gewählt. Als Vizepräsident hat Papier vor allem repräsentative Aufgaben. Wie Präsidentin Limbach ist er bei seiner richterlichen Tätigkeit Gleicher unter Gleichen, kann mit seiner Stimme also auch in Pattsituationen nicht den Ausschlag geben. Papier wird den Vorsitz im etwas liberaleren Ersten Senat des Gerichts übernehmen. Dort amtierte zuletzt der wenig profilierte, aber integrativ wirkende Otto Seidl, der parteilos ist.

Bei der heutigen Wahl sind Überraschungen ausgeschlossen. Da VerfassungsrichterInnen jeweils mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden, sind die KandidatInnen von Union und SPD vor dem Wahlakt längst ausgemauschelt. Papier ist ein anerkannter Experte für das Verfassungsrecht. Gemeinsam mit Bundespräsident Roman Herzog und dem CDU- Kronjuristen Rupert Scholz gibt er den konservativen Grundgesetz- Kommentar „Maunz-Dürig“ heraus. Politisch ist Papier als Wirtschaftsliberaler einzuschätzen. Diese Haltung hat ihm auch zahllose Gutachteraufträge aus der Wirtschaft und von Berufsverbänden eingebracht. Wenn Papier die Befangenheitsvorschriften ernst nimmt, wird er häufiger bei den Beratungen fehlen müssen, meinen Beobachter.

Nahe steht Papier aber nicht nur Wirtschaftskreisen, sondern auch der Bundesregierung, in deren Diensten er in Karlsruhe schon mehrfach tätig wurde. Auf den ersten Blick erscheint es wenig glücklich, einen derart regierungsnahen Juristen zum obersten Kontrolleur der Staatsorgane zu bestellen. Vermutlich geht die Union, die Papier vorgeschlagen hat, davon aus, daß die Regierung ohnehin bald wechseln wird...

Besondere Erfahrungen mit Papier machte in den letzten Jahren die PDS, da der Jurist als Chef der Kommission zur Abwicklung des SED-Parteivermögens agierte. „Er hat den derben Auftrag mit Eleganz ausgeführt“, erinnert sich Parteisprecher Hanno Harnisch an Hans-Jürgen Papier. Am Ende durfte die PDS ihre Parteizentrale und vier weitere Grundstücke behalten. Christian Rath

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