: ... und keiner geht hin
■ Hamburger Arbeitsloseninis stehen dem Aktionstag eher skeptisch gegenüber
Ganz so aktiv wie bei den Franzosen wird's heute in Hamburg wohl nicht zugehen. „Wir werden vielleicht zehn oder zwanzig Leute auf die Beine bringen“, schätzt Britta Wyczinski die Begeisterung für den bundesweit ersten Arbeitslosen-Aktionstag ein. Die Sozialarbeiterin des gewerkschaftsnahen Vereins zur Betreuung von Arbeitslosen arbeitet in Rothenburgsort mit einer Gruppe von Langzeitarbeitslosen. „Vom Bürokaufmann über die Dolmetscherin bis zum Seemann ist alles dabei.“
Der auf eine Idee der Bielefelder Arbeitsloseninitiative zurückgehende Aktionstag wird in Hamburg wohl auch weitaus phantasieloser ablaufen als jenseits der französischen Grenze: Direkt vor dem Arbeitsamt an der Kurt-Schumacher-Allee werden pünktlich zur Bekanntgabe der Arbeitslosenzahlen Reden geschwungen. In der Bütt ab 11.30 Uhr: der DGB-Vorsitzende Erhard Pumm und Helmuth Diekwisch vom Förderverein gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit. Die Gewerkschaft, die jetzt als Veranstalter auftritt, hat sich erst in letzter Minute an die Aktion drangehängt.
„Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, daß im arbeitenden Teil der Bevölkerung eine Solidarisierung stattfindet und die Arbeitslosen nicht mehr pauschal als Drückeberger beschimpft werden“, betont Rolf Döring von der Arbeitslosen-Telefonhilfe. Auch er fürchtet, daß „das träge Hamburg im Vergleich zum Ruhrgebiet am Aktionstag keine gute Figur machen wird, weil die Erwerbslosen sich ungern zu erkennen geben“.
„Wir machen vormittags zu und gehen alle hin“, sagt Dieter Pöpping vom Arbeitslosenzentrum Altona. Vielleicht werden es zwei Dutzend ehemalige Lok-Führer, Maurer und LKW-Fahrer sein. Auch bei EFA, der Informationsstelle Frau und Beruf, „wird ständig darüber diskutiert, wie es weitergehen soll“, berichtet Ilona Wilhelms und ergänzt: „Für die Frauen sieht es mau aus.“Wer einmal aus dem Erwerbsleben raus sei, komme nicht wieder rein.
Früher ließen sich bei EFA arbeitslose Frauen beraten, die – etwa als Alleinerziehende – von Personalchefs ungern eingestellt wurden. „Heute kommen junge, kinderlose Juristinnen mit fünf Jahren Berufserfahrung, die keiner will“, hat die Psychologin beobachtet. Bei EFA wird dann nach den letzten Nischen gesucht oder nach verdeckten Stellen, die nicht ausgeschrieben wurden.
Im Arbeitsamt soll der Betrieb am Donnerstag nicht anders laufen als an anderen Tagen auch. Den MitarbeiterInnen wurde nicht freigestellt, sich an der Versammlung vor ihrer Tür zu beteiligen, wie beispielsweise in Bielefeld. Olaf Koglin, der Chef des Arbeitsamtes, ist denn auch nicht besonders glücklich über den Protest. Ihn ärgert „die Stoßrichtung der Aktion, die sich gegen das Arbeitsamt als Behörde richtet, die den Arbeitslosen helfen soll“. Lisa Schönemann
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