: „Trend“ plötzlich offline
■ Das linke Online-Magazin muß sich eine neue Heimstatt im Internet suchen
Wieder einmal ist in Deutschland eine linke Website in Schwierigkeiten. Doch diesmal ist ist es nicht die Bundesanwaltschaft, die für Recht und Ordnung sorgen will. „Trend – die Onlinezeitung für die alltägliche Wut“ ist vom eigenen Provider von BerliNet (www.berlinet.de) aus dem Netz befördert worden – nach Ansicht des Trend-Redakteurs Karl-Heinz Schubert, ohne genug Zeit zu haben, einen neuen Server zu suchen.
Trend („linke Gegenöffentlichkeit im Internet“) machte außer eigenen Artikeln auch redaktionelle Beiträge anderer Blätter online zugänglich: neben den letzten Ausgaben der Interim, deren Redaktionsräume Ende des vergangenen Jahrs von der Berliner Polizei durchsucht worden waren, auch von Kalaschnikow, der Sozialistischen Zeitung (SOZ), des A-Kurier, der Bahamas und der Linkskurve. Auch die radikal wurde hier gespiegelt, als die Bundesanwaltschaft Jagd darauf machte. Außerdem stand Material zur Geschichte der APO, zum KPD-Verbot, dem Deutschen Herbst und eine komplette Ausgabe des Marxschen Kapitals zum Download bereit.
Die insgesamt 35 Megabyte Daten sind nun bis auf weiteres nicht mehr online zugänglich. Zwar hat Trend bei „Ourworld“ (ourworld .com/homepages/trend/) von CompuServe eine Notseite eingerichtet – dort können aber nur zwei Megabyte abgelegt werden. Wer die alte Adresse www.berlinet.de/ trend/ eingibt, findet nur noch eine Pressemitteilung von BerliNet, das den Fall aus seiner Sicht kommentiert – ohne Hinweis auf die Notseite bei CompuServe. Für Karl- Heinz Schubert ist das Ganze ein Fall von Zensur: BerliNet habe befürchtet, wegen der Interim-Ausgaben strafrechtlich verfolgt zu werden, sagt er.
BerliNet ist ein Verein Berliner Mailboxen, der einen Übergang zum Internet bietet. Erst kürzlich sind die Räume an der Friedrichstraße in Kreuzberg aufgegeben worden. Unter der neuen Adresse in Reinickendorf firmiert auch die Computerfirma IMU, die dem Vereinsvorsitzenden Andreas Baumann gehört. In seinem Büro steht der Server, er selbst hält den Streitfall für einen „ganz normalen Geschäftsvorgang“. Seine Version: Die Trend-Redaktion habe den ihr zugestandenen Serverplatz überzogen. Sie habe nur drei E- Mail-Accounts bei BerliNet gehabt, aber trotzdem 35 Megabyte auf der Festplatte beansprucht. Auf eine schriftliche Abmahnung im Mai vergangenen Jahres habe sie nicht reagiert. Daraufhin habe man die gesamte Site entfernt – nicht gelöscht, wie Baumann hervorhebt, es gebe eine Sicherungskopie. Daß der ehemalige Vereinsvorsitzende Bernd Rockmann unbegrenzten Serverplatz zugesagt haben soll, wie die Trend-Redaktion behauptet, sei nicht relevant. „Jede mündliche Abmachung bedarf der Schriftform“, meint er.
Wie einer E-Mail zu entnehmen ist, die auf der CompuServe-Notseite dokumentiert ist, hatte auch Rockmann nur 10 Megabyte freien Speicherplatz zugesagt. Eine schriftliche Abmahnung will man jedoch bei Trend weder im Mai 1997 noch in den letzten Tagen erhalten haben. Das Magazin will auf jeden Fall weitermachen. Andere linke Projekte wie „Squat.net (www.squat.net) und „Nadir“ (www.nadir.org) haben bereits angeboten, die verschwundenen Daten zu spiegeln. Außerdem denkt die Redaktion darüber nach, langfristig mit anderen linken Blättern eine eigene Domain einzurichten. Tilman_
Baumgaertel
@compu
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