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Kalt, zynisch und kaputt

■ Mit „Blackout“ übt sich Abel Ferrara erneut am Film im Film

In Abel Ferraras neuem Film „The Blackout“ haben es die Leute vom Film nicht leicht: Genauso wie sie erfolgreich, reich und schön sind, sind sie auch kalt, zynisch, kaputt und gelangweilt; weswegen sie Parties feiern und Drogen nehmen, daß es nur so kracht. Zum wirklichen Leben, was immer das sein mag, sind sie nicht geschaffen, und sollten sie sich daran versuchen, geht das voll in die Hose.

Auch der Filmschauspieler Matty (Matthew Modine), der dieses Mal der Anführer durch die berüchtigt-beliebte Ferrara-Hölle ist, schafft das nicht. Vom Drogentaumel in den Beziehungstaumel in den Drogentaumel – als er nach einer durchrauschten Nacht seiner Freundin Annie (Beatrice Dalle) am Morgen einen Heiratsantrag macht, eröffnet sie ihm, sie wolle ihn verlassen, da er ein Junkie sei und sie im Suff zur Abtreibung ihres gemeinsamen Babys gedrängt habe. Und so segelt der smarte wie auch durchgängig hilflos und tumb wirkende Matty seinem verdienten Abgrund entgegen. Exzeß folgt auf Exzeß, Matty am Boden, Matty bei zwei Flygirls, mit denen er hier eine Line zieht, sich dort einen Film reindreht, Matty beim Filmriß: Letzte Ausfahrt Miami, wohin Ferrara den Ort der Handlung gelegt hat, out of the blue into the black. In einem seiner klaren Momente fühlt sich Matty „wie in einem scheiß Vampirfilm“.

„The Blackout“ ist nach „Snake Eyes“ der zweite Film, den Ferrara im Filmmilieu ansiedelt und in welchem er erneut mit den Alpträumen (Träumen?) eines jeden Regisseurs spielt. War es in „Snake Eyes“ eine Vergewaltigung, die auf dem Filmset des Film-im-Film nicht nur simuliert wurde, sondern „echt“ war, so hat Ferrara die Snuff-Schraube in „The Blackout“ noch ein wenig fester gezogen. Genüßlich und skrupellos läßt er den Videoproduzenten Mickey (Dennis Hopper, der diese Figur wirklich großartig unsympathisch spielt) Mattys Blackout filmen: den Mord, den dieser an „Annie Two“ (Sarah Lassez) begeht, an der Frau, die er vermeintlich für seine Verflossene hält.

Annie One, Annie Two, Annie Three – nicht anders als in „Snake Eyes“ bildet auch dieses Mal New York den anheimelnden und guten Kontrast zum bösen Treiben in der sonnigen Filmstadt. Hier tritt Claudia Schiffer auf den Plan, die ausgerechnet bei Ferrara ihre erste dramatische Filmrolle bekommen hat. Sie spielt Susan, die Frau, die Matty aus dem Sumpf zu ziehen versucht und mit ihm in drogenfreier Zweisamkeit in New York lebt. Ihr stehe diese Susan sehr nahe, soll Claudia Schiffer gesagt haben, und so agiert sie, wie man sie zu kennen meint: blond und bieder, sauber und rein. Sie ist der Engel an Mattys und Ferraras Himmelspforte, obwohl das niemandem von den dreien weiterhilft: Claudia Schiffer tut sich mit ihrer Rolle nicht unbedingt einen Gefallen, Abel Ferrara erzählt uns in diesem Film nichts Neues, und Matty kehrt zurück nach Miami, freut sich über die kleinen, leckeren Flachmänner in seinem Hotelzimmer, kommt wieder voll drauf und dabei auch hinter das Schicksal von Annie Two und seiner Wenigkeit. Ganz Schuld und Sühne, ganz Verbrechen und Strafe, ruft er am Ende der hilflosen Susan zu: „Ich bin ein Mörder, ein Mörder, ein Mörder“, und findet dann seine langerwartete und Ferrara-typische Erlösung in den Tiefen des Golf von Mexiko. Gerrit Bartels

„The Blackout“. Regie/Drehbuch: Abel Ferrara. Mit Matthew Modine, Dennis Hopper, Beatrice Dalle, Claudia Schiffer. USA 1997, 100 Min.

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