: Aufruhr im Kaninchenstall
■ Sie gaben den Auftrag für das Gutachten zum Gutachten: Katrin Rabus und Klaus Pierwoß von der Initiative Anstoss über Chancen und die Strategie des Widerstands
Der 23. Februar wird ein besonderer Tag. An diesem Montag abend werden sich Michael Schindhelm, Thomas Messer, Eckard Heinz und Bernd Meyer in der oberen Halle des Bremer Rathauses auf ein Podium setzen und mit Spannung erwartete Reden halten. Denn das Quartett von Kulturexperten ist von der Initiative „Anstoss“mit der Begutachtung der Bremer Kulturszene beauftragt worden, um nach den McKinsey-UnternehmensberaterInnen auch ausgewiesene Fachleute anzuhören. Die Ergebnisse werden am 23. Februar vorgestellt. Der taz erklärten die beiden Anstoss-SprecherInnen, die Galeristin Katrin Rabus und der Theaterintendant Klaus Pierwoß, was sie sich davon versprechen und wie sie das Verhalten der Szene in dem Prozeß der angestrebten Reform der Kulturförderung beurteilen.
taz: Sie haben vier Gutachter eingeladen; nach welchen Kriterien haben Sie sie ausgewählt?
Katrin Rabus: Wir mußten schnell reagieren. Wir haben uns gefragt: Wem können wir sehr schnell vermitteln, worum es geht. Und wer kennt uns, ohne daß jemand von uns direkt mit ihnen zu tun hat. Es sollten auch welche sein, die in Bremen keine Ambitionen haben. Wir haben uns gedacht: Wir holen Autoritäten, denen wir vertrauen können. Wir mischen uns aber nicht ein in deren Arbeit. Sie sind übrigens jetzt alle fertig mit ihrer Analyse und arbeiten an ihren Berichten.
Hat das Quartett Kenntnis vom McKinsey-Gutachten?
Rabus: Die kennen das, aber es ging uns darum, daß die sich nicht zu sehr in das Papier vertiefen.
Das neue Gutachten kostet 120.000 Mark?
Rabus: Ja.
Ein teurer Anstoß?!
Rabus: Ja. Aber der zahlt sich sehr aus. Das Anstoss-Gutachten hat in den Institutionen eine viel größere Rückwirkung als McKinsey insgesamt. McKinsey hat doch bloß eine Blockade ausgelöst.
Klaus Pierwoß: Ein bemerkenswerter Punkt ist, daß der Staat etwas finanziert, was absolut unabhängig von ihm ist.
Gibt es schon einen „output“?
Pierwoß: Wir haben vereinbart, daß vor dem 23. Februar nichts veröffentlicht wird.
Kultursenatorin Kahrs betont immer wieder die Offenheit des Prozesses. Aber tatsächlich kursieren längst Terminpläne. Ist das sogenannte Drei-Säulen-Modell von McKinsey noch zu verhindern?
Pierwoß: Ja, sicher gibt es Terminpläne. Uns gegenüber wurde auch viel Skepsis geäußert, unser Gutachten sei bloß ein Feigenblatt. Aber Terminpläne der Verwaltung sind das eine. Die möglichen Folgen eines Diskussionsprozesses sind das andere. Ob das Drei-Säulen-Modell kommt, ist offen.
Rabus: Eines hat das McKinsey-Gutachten schon jetzt gebracht: Es ist eine Chance, Positionen neu zu bestimmen. Da stehen die Forderungen nach Verläßlichkeit der politischen Entscheidungen oder nach größerer Eigenständigkeit der Einrichtungen drin. Wir haben noch Zeit bis zum 23. Februar. Jetzt kommt es darauf an, daß alle ihre Forderungen auf den Tisch bringen.
Wie verhält sich Bremens Kulturszene in dem Reformprozeß?
Pierwoß: Viele haben in den letzten Monaten so reagiert wie das Kaninchen auf die Schlange. Es kommt jetzt darauf an, sich einzumischen und überhaupt Interessen zu formulieren. Die Offenheit muß man auch eingehen. Es gab fast nur Negativreflexe auf McKinsey. Doch dann sagen die Politiker ganz schnell: „Das ist doch klar – das ist der einzukalkulierende Widerspruch.“Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich die Kulturschaffenden als Objekt der Herrschenden begreifen. Seit Ende der sozialen Bewegungen und dem Einzug der Grünen in die Parlamente ist da etwas weggefallen. Dieses Feld außerhalb der politischen Institutionen muß auf zeitgemäße Weise wieder besetzt werden.
Rabus: Als ich vor zwanzig Jahren hierher kam, hatte Bremen den Ruf des Aufmüpfigen, fast Revolutionären. Jetzt kommt man in eine Situation, in der eine Staatshörigkeit herrscht, die für mich undenkbar ist, wenn sie die kulturelle Vielfalt betrifft. Das kann ich nach zwanzig Jahren Bremen einfach nicht nachvollziehen.
Auf der anderen Seite haben alle Kulturinstitutionen die Pflicht, sich zu legitimieren – nicht über die Besucherzahlen, sondern über die Rolle, die sie in der Stadt spielen. Das an die Öffentlichkeit zu bringen, war der ursprüngliche Anstoss von – Anstoss.
Was fordern Sie von der Szene?
Pierwoß: Sich aktiv in die eigene Sache einmischen. Da ist zum Beispiel das GmbH-Modell. Für unser Theater ist es gut. Ob das auch für die Museen gut ist, müssen die Museumsleute selbst beurteilen. Das gilt für alle anderen Einrichtungen genauso. Wieviel man erreicht, ist nicht abzusehen. Aber man muß endlich von dieser statischen Betroffenheit runter. Wir sind doch keine Bittgänger, sondern wir leisten etwas für unsere Förderung.
Fragen: Christoph Köster
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