Next Stop Nagano: Gar nicht fernöstlich
■ Nagano wirkt auf den ersten Blick leicht häßlich – wie Fresno oder Chattanooga
Der Gedanke, dem erwarteten Verkehrschaos mit dem Trick zu entgehen, die olympischen Stätten in Nagano einfach zu Fuß aufzusuchen, kann schnell vergessen werden. Die Vorstellung einer auf engstem Raum zusammengepferchten japanischen Stadt erweist sich als ausgesprochen irrig. Abgesehen vom Zentrum mit seinen winkligen Gassen und laternenbehangenen Kneipeneingängen hat jedes japanische Viertel in San Francisco oder São Paulo mehr fernöstliche Atmosphäre als der 350.000-Einwohner-Ort im Gebirge. „Ein bißchen wie Calgary“, stellt die kanadische Eishockeyspielerin Hayley Wickenheiser fest. Sie hätte auch Chattanooga oder Fresno sagen können.
Oder Atlanta. Lange, häßliche, mit Tankstellen, Drugstores und Werbetafeln gesäumte Straßen, meist verstopft. Die Busse für die Medien fahren selten, und während sie, entsprechend überfüllt, im Stau vor sich hin tuckern, machen alte Atlanta-Witze die Runde. „Wann war doch gleich die Eröffnungsfeier? Übermorgen? Könnte gerade so zu schaffen sein.“ Morgen aber soll alles besser werden. Sagt François Carrard vom IOC. Dann tritt das ultimative Verkehrssystem in Kraft. Und vielleicht halten sich die Einwohner Naganos von da an ja sogar an den Appell, zu Fuß zu gehen, wenn sie weniger als drei Kilometer von ihrer Arbeitsstelle entfernt wohnen. „Könnte klappen“, meint ein Einheimischer. „Die Bergbewohner von Nagano sind fitter als die Leute in Tokio. Da hätte so was keine Chance.“
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Wenn am Sonntag der erste Bully das Match Schweden– Finnland eröffnet, feiert ein neuer Sport seinen olympischen Einstand: Frauen-Eishockey. „Neuer Sport“ ist die Diktion der Spielerinnen, die den Vergleich mit dem Männer-Eishockey nicht hören wollen. „Wir spielen ein anderes Hockey“, sagt Hayley Wickenheiser vom Team Canada, dem Weltmeister und Favoriten. Ihre Erfahrung aus Spielen gegen Männer: „Wir können besser Eishockey spielen, aber die Männer trennen dich vom Puck, indem sie dich einfach umhauen.“ Bei den Frauen ist der Bodycheck verboten. Man wird sehen, wie das neue Hockey gefällt.
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Sehr indigniert schaute gestern IOC-Sprecher François Carrard, als er angesichts der Berufung des niederländischen Thronfolgers und eines luxemburgischen Prinzen zu IOC-Mitgliedern gefragt wurde, ob das Komitee nicht ohnehin „mit Monarchen überladen“ sei, es aber viel zu wenige Sportler gebe. Man könne die armen Kerle doch nicht diskrimieren, nur weil sie einen Titel hätten. Im übrigen seien ja mit der Polin Irena Szewinska und der Marokkanerin Nawal El Boutawakel auch zwei ehemalige Sportlerinnen gewählt worden. Zwei Prinzen, zwei Frauen – das IOC, ein Hort der Ausgewogenheit. Matti Lieske
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