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Nur die Beschäftigten verzichteten

■ IAB-Forscher entwickelten ein Szenario für etwa zwei Millionen neue Jobs. Doch Politik und Tarifparteien ziehen nicht an einem Strang

Schlechte Noten stellt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Wirtschaftspolitik aus. Vor eineinhalb Jahren stellte das Nürnberger Institut, das zur Bundesanstalt für Arbeit gehört, ein Maßnahmenbündel zusammen, um mittelfristig eine Halbierung der Arbeitslosigkeit zu erreichen. Seitdem sind die Arbeitslosenzahlen kontinuierlich auf neue Rekordhöhen gestiegen, und nur ein einziger von vielen geforderten Punkten ist umgesetzt worden: die moderaten Lohnsteigerungen. Damit ist das Gegenteil der von IAB-Chef Gerhard Kleinhenz geforderten „fairen Verteilung der Lasten“ eingetreten.

Im Frühjahr 1996 fütterten der Arbeitsmarktforscher Gerhard Zika und seine Kollegen ihre Computer tagelang mit 2.200 Zeitreihen und knapp 1.400 Gleichungen. Sie simulierten die verschiedensten Modelle von Arbeitszeitverkürzungen, Lohnzurückhaltung, Überstundenabbau, Steuer- und Sozialabgabensenkungen. Heraus kam im Sommer ein Bündel von Maßnahmen, an deren Ende etwa zwei Millionen neue Arbeitsplätze stehen würden.

Als die Studie öffentlich wahrgenommen wurde, konnte sich Zika nicht so recht darüber freuen. Denn die eigentliche Botschaft, daß alle, Gewerkschaften, Arbeitgeber und Staat, dabei an einem Strang ziehen müßten, hatte niemand verstanden. „Jeder pickte sich nur die Rosinen heraus“, resümmierte Zika.

„Jeder“ hat sich nicht die Rosinen herausgepickt, nur die Arbeitgeber nutzten die Gunst der Stunde. Sie forderten mit Berufung auf die Studie nicht nur die Lockerung des Kündigungsschutzes, sondern auch Nullrunden bei den Tarifverhandlungen. Die Bundesregierung sekundierte mit Maßhalteappellen. Mit Erfolg. Arbeitsrechtliche Bestimmungen wurden aufgeweicht, und die nominalen Tariflöhne stiegen seitdem nur um 1,75 Prozent. Damit blieben sie deutlich hinter dem Anstieg der Produktivität von 3,5 Prozent zurück.

Daß sich dies auf dem Arbeitsmarkt in keinster Weise positiv bemerkbar machte, ist für die IAB- Forscher kein Wunder. „Eine Grundvoraussetzung für Beschäftigungseffekte aus Lohnzurückhaltung ist aber, daß der Staat das zusätzliche Haushaltsdefizit akzeptiert, das aus den verminderten Steuereinnahmen resultiert“, heißt es im aktuellen IAB-Kurzbericht. Die Maastricht-Kriterien im Blick, habe man jedoch sofort mit Ausgabenkürzungen reagiert und damit zusätzlich „die Binnennachfrage gedämpft“.

Statt die Jahresarbeitszeit zu verringern, hat man sie unverändert hoch belassen. Überstunden wurden nicht in nennenswertem Umfang abgebaut. Aus der geforderten Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern ist nichts geworden. Hatte das IAB eine Umschichtung staatlicher Subventionen hin zu öffentlichen Investititonen gefordert, gingen die Investitionen im ersten Halbjahr 1997 gar um 4,3 Prozent zurück. Bernd Siegler, Nürnberg

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