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■ NachschlagPsychopathogener Popstar: Castorf, Palitzsch und Co. über BB im BE Friedrich

Dieckmann stellte gleich zu Beginn klar, daß nicht die Erinnerung an Bert Brecht, sondern die Aktualität des Theatermachers BB zur Debatte stünde. Ein hehrer Anspruch, nüchtern, aber kompetent moderiert. Wie also kam es dann trotzdem zum großen Abgesang des Jahrtausends, hier sublim von Castorf dirigiert? Ein Abgesang – so wollte der junge, zwischen Expressionismus und Dadaismus lavierende Brecht sein Werk verstanden wissen. Und chwups! landen wir wieder bei der Biographie, bei Parallelen Castorf-Brecht, Galilei-Brecht und damit natürlich bei B.K. Tragelehn. Sein aktueller Galilei am BE lebt vom Privaten; im Stück dann spiegelt sich die „Geschichtsmächtigkeit des Subjekts“ (Dieckmann), oder einfach das Individuelle, das doch bei BB so oft dem Metaphysischen weichen mußte. Letztere Erscheinungsform zog übrigens auch der abwesende Christoph Schlingensief vor.

Was bleibt, sind Anekdoten und eine Menge Menschelndes. Lustig, klar, wennThomas Langhoff von seiner ersten Brecht-Begegnung spricht: Als Gegenleistung für Gartenarbeit bei BB in Weißensee gab es eine Jeans, heute vergleichbar mit einer Hilfiger-Unterhose mit original Goldie-Unterschrift oder so. Unglaublich, staunt eine Nachbarin, wie attraktiv der über 80jährige Peter Palitzsch noch wirke. Er, Palitzsch, sei ein eher unkritischer Betrachter Brechts, dieser habe ihn halt geprägt. So. Entwaffnend, besonders weil er kein müder Epigone ist.

Aber eigentlich fing es schon an, als Catorf die ihn faszinierende „psychopathogene Qualität“ des Popstars Brecht hervorhob. Man meint, diese Töne langsam zu kennen. Doch einmal mehr punktet Professor-Selber-Rockstar. Plötzlich wird aus der Rampe im BE ein Zwinger für Geständnistiere, die Castorfsche Spritze aus postmoderner Programmhefttheorie und Selbstbezichtigung läßt alle ein wenig jaulen. Man ist einsam im Theater heute, weil alles schon Theater ist (“Transtheatralität“). Die Wahrheit ist uns abhanden gekommen am Ende der Geschichte. BB kostituierte sich an diesem Nachmittag erneut als Metapher für die Sehnsucht nach einem Theater, das eingreift, das selbst Realität schafft und sie verändert. Tragelehn interessiert sich nunmehr fürs Private und Langhoff weiß, daß Theater noch nie was bewirkt hat. Schlingensief hätte wahrscheinlich geweint. Tobi Müller

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