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Berliner Kuhhandel

■ Günter Struve ist der neue Kanidat für die SFB-Intendantenstelle. Für den Programmchef will die ARD den Hut herumgehen lassen

Als Ernst Pulsfort, Rundfunkratsmitglied beim Sender Freies Berlin, Mitte November in seinen Briefkasten schaute, fand er einen Umschlag ohne Absender. Darin steckte ein Zeitungsartikel, voll des Lobes über den ARD-Programmchef Günter Struve. Kirchen-Mann Pulsfort, so geht die Erzählung weiter, rief daraufhin bei Struve in München an. Quintessenz des Gesprächs: Der Programmdirektor soll sein Interesse an der SFB-Intendantenstelle bekundet haben.

Öffentlich ließ Struve bislang nichts über einen Wechsel nach Berlin verlauten. Inzwischen scheint er sich seiner Sache jedoch sicher zu sein, denn jetzt durfte ihn der Spiegel so zitieren: „Diese schwere Aufgabe reizt mich.“

Der 57jährige Struve will seine Absicht heute auf der ARD-Intendantensitzung bekanntgeben. Bisher hatte sich der ARD-Vorsitzende Udo Reiter geweigert, Struve vorzeitig aus seinem Vertrag zu entlassen. Jedoch sprach sich NDR-Chef Jobst Plog öffentlich für den Programmdirektor aus, auch Fritz Pleitgen, Chef des mächtigen WDR, soll nichts gegen eine Vertragsauflösung haben.

Allerdings geht es um mehr. Die ARD-Gemeinschaft soll dem künftigen SFB-Chef die Rente aufbessern. Der bekäme in Berlin nach Informationen aus dem Rundfunkrat jährlich 120.000 Mark weniger Rente als zuvor. Die Lücke soll die ARD schließen. Gerechtfertigt werden könnte dies mit der Verantwortung des SFB- Intendanten für das ARD-Hauptstadtstudio. Dazu paßt, daß Struve im Spiegel erklärte, das Hauptstadtstudio mache das Amt „um einiges attraktiver“. Gemeinschaftsgeld für den SFB-Posten würde jedoch gegen den „Mobilitätsbeschluß“ der ARD verstoßen: Wechselt ein Mitarbeiter innerhalb der ARD die Anstalt, muß der neue Arbeitgeber alle Pensionskosten übernehmen.

Unterdessen drängt sich die Frage auf, warum CDU-Fädenzieher Klaus Landowsky überhaupt seine Rundfunkräte für einen Linken hampeln läßt. Daß Struve kürzlich aus der SPD ausgetreten ist, dürfte Landowsky nicht reichen. Rundfunkratsmitglied Jochen Esser von den Grünen befürchtet einen Kuhhandel: Zur Zeit wird nämlich nicht nur der Intendant, sondern auch ein Nachfolger für Chefredakteur Jürgen Engert gesucht. Und dabei geht es um das von Berliner CDU-Politikern geschätzte Fernsehprogramm B1. Esser fragt deshalb: „Wählt, wer seine Stimme Günter Struve gibt, gleich noch unbekannterweise einen Fernseh-Chefredakteur mit, der Herrn Landowsky genehm ist?“ Georg Löwisch

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