piwik no script img

Rüsten für den Castor im friedlichen Westen

■ In Ahaus großräumigere Sperren als in Gorleben geplant. Katholiken protestieren. Castor-Behälter entgegen Aussagen der Betreiber ungetestet

Münster/Memmingen (taz) – Massive Eingriffe in demokratische Grundrechte befürchtet die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ während der Castor- Transporte ins dortige „Zwischenlager“. „Das Einsatzkonzept der Polizei wird die im Grundgesetz verankerten Rechte auf Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit und Eigentum enorm beschneiden“, so BI-Sprecher Hartmut Liebermann. Betroffen seien sowohl AnliegerInnen als auch DemonstrantInnen. Sechs Castor-Behälter werden zwischen dem 23. und 27.März in Ahaus erwartet.

Wie die taz Münster dazu aus Polizeikreisen erfuhr, sind großräumige Sperrzonen um die gefährliche Fracht und das Zwischenlager geplant. Die von Gorleben bekannten Ausmaße werden dabei vermutlich deutlich überschritten. Das sei unvereinbar mit dem Versammlungs- und Eigentumsrecht, meinte Liebermann. Wenn die zuständige Einsatzleitung ihre Pläne nicht revidiere, werde man vor den Verwaltungsgerichten klagen, kündigte er an.

Pikanterweise liegt die Leitung beim Polizeipräsidium Münster, das von Hubert Wimber geführt wird, Deutschlands einzigem grünen Polizeipräsidenten. Eine auch von Wimber zu verantwortende, weiträumige Sperrung gefährdet einige Widerstandscamps, die auf bäuerlichem Gelände ganz nah am Zwischenlager liegen. Auf der anderen Seite benötigt die geplante Taktik vermutlich das bisher größte Polizeiaufgebot in der Geschichte der Bundesrepublik – ab dem 20.März ist mit dem Aufmarsch von 20.000 Polizisten zu rechnen, befürchtet Liebermann.

Inzwischen verstärkt sich der Widerstand aus kirchlichen Kreisen. Nach Protesten evangelischer Pfarrer und Laien scheint jetzt sicher: Von Katholiken abgesegnete Atomtransporte durch das überwiegend konservative und CDU- dominierte Münsterland wird es ebensowenig geben. Ausgangspunkt der Proteste war ein Positionspapier einer Ahauser katholischen Pfarrgemeinde, das auch dem Bischof von Münster vorliegt. „Atomenergie ist wegen vieler ernstzunehmender Ängste gesamtgesellschaftlich nicht konsensfähig“, heißt es darin.

„Wegen Ahaus liegen unsere Nerven blank“, meinte die Vorsitzende des Diözesankomitees in Münster, Margret Pernhorst. Das Komitee ist das höchste Laiengremium und berät den Bischof. „Wir wissen um die Spannungen, die dieses Positionspapier bei den Christen in Ahaus bewirkt hat“, so Pernhorst. Nicht nur dort, auch unter den Katholiken im gesamten Bistum Münster wird heftig über den richtigen Weg im Umgang mit dem Zwischenlager gestritten.

„Alternativen zu überlegen, ist Sache der Politik, der Industrie und der Wissenschaft; ein verantwortungsvoller Umgang mit Energie ist Sache aller“, heißt es im Papier aus Ahaus. Daß Katholiken für den Ausstieg aus der Atomenergie auch am Tag des Herrn demonstrieren, wollen sie am 15.Februar beim nächsten „Sonntagsspaziergang“ um das Zwischenlager beweisen. Landwirte haben ihre Unterstützung mit einem Treckerkonvoi angekündigt. Dabei werden sie zahlreiche Sicherheitskräfte treffen. Schon jetzt ist die zunehmende Polizeipräsenz in Ahaus zu spüren. Wer sich auf den öffentlichen Wegen rund um das Zwischenlager umschaut, wird personenkontrolliert.

Für die Transporte werden Groß-Castor-Behälter der Baureihe fünf benutzt. Sie waren beim Castor-Konvoi 1997 nach Gorleben schon für die Brennstäbe aus dem AKW Neckarwestheim im Einsatz. Der auf das AKW Gundremmingen zugeschnittene Typ Castor V/52 wurde dieser Tage mit abgebrannten Brennelementen beladen. Die Werksleitung dort sagt, die Behälter seien intensivst getestet worden, und bezieht sich vor allem auf den sogenannten Japan-Castor.

Der Diplomphysiker und Castor-Experte Wolfgang Neumann von der „Gruppe Ökologie“ in Hannover widerspricht dem. „Es ist richtig, daß mit einem ähnlichen Typ in Japan Untersuchungen durchgeführt wurden“, so Neumann zur taz. „Diese Untersuchungen haben aber nichts mit den Tests zu tun, die nach den Vorschriften der IAEA (Internationalen Atom-Energie- Agentur) für den Nachweis der Sicherheit solcher Behälter vorgeschrieben sind.“

Für Behälter, die eine so gefährliche Fracht befördern sollen, müsse ein lückenloser Sicherheitsnachweis geführt werden, meint Neumann. „Und der darf nicht aus Rechenmodellen bestehen, sondern muß sowohl echte Falltests, als auch entsprechende Feuertests enthalten.“ Hersteller und Nutzer dieser Behälter betonen zwar immer wieder, auch Feuertests seien durchgeführt worden und zwar in Japan. Dies sei nicht der Fall, auch nicht in Japan, stellt Neumann klar: „Das wird alles nur theoretisch berechnet aufgrund von Untersuchungen, die man Anfang der achtziger Jahre mal mit ganz anderen Castor-Behältern gemacht hat. Und dann wird versucht, diese Ergebnisse von damals auf die heutigen Castor-Behälter zu übertragen. Die haben allerdings eine ganz andere Konstruktion.“

Benjamin Zyla, Werner

Paczian, Klaus Wittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen