: "Umweltschutz ist Abrüstung"
■ Klaus Töpfer ist seit gestern der erste deutsche Vize-UN-Chef. Er leitet das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) in Nairobi. Für den Umweltpolitiker die logische nächste Herausforderung
taz: Herr Töpfer, Sie sind jetzt Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Was macht ein Unep-Chef eigentlich?
Töpfer: Er wird sich bemühen, die globalen Umweltprobleme nicht nur zu analysieren, sondern auch gemeinsames Handeln der Völkergemeinschaft zu erreichen. Das wird viele Probleme machen.
Wo können Sie da konkret ansetzen?
Ich werde mich erstmal ganz unspektakular bemühen müssen, dieses Unternehmen finanziell und organisatorisch zu festigen. Ich werde zweitens die Umweltpolitik und die Siedlungspolitik – Habitat – der Vereinten Nationen zusammenfassen und ihre wechselseitige Überschneidung nutzen.
Die Umweltaktivitäten der UN sind sehr verstreut.
Das stimmt. Wir haben etwa zehn Konventionen, die die Umweltpolitik betreffen, mit jeweils eigenen Konferenzen und Beratungsabläufen. Zudem gibt es zwischen den Konventionen zu Klima, Wüsten und Artenschutz viele Dopplungen. Solche Doppelarbeit gilt es künftig zu vermeiden und den einzelnen Verträgen mehr Gewicht zu verschaffen, indem wir eine globale Umweltpolitik aus einem Guß in Angriff nehmen. Deshalb war es mir auch wichtig, nicht bloß Unep-Chef, sondern auch Leiter der vom UN-Generalsekretär einberufenen Arbeitsgruppe zur Koordinierung der Umweltfragen in der UN zu werden.
Das klingt nach viel Papierkrieg. Können Sie als Unep-Chef auch politisch Einfluß nehmen?
Die besten Ideen laufen leer, wenn man nicht den Apparat stabilisieren kann.
Die UN wird von außen vor allem mit Blauhelmen identifiziert. Was sind Ihre Blauhelme, was können Sie konkret tun?
Die UN entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, um zur Not mit Blauhelmen ethnische oder ideologische Spannung zu befrieden. Heute sind es mehr und mehr die begrenzten Ressourcen der Umwelt, die einen Verteilungskampf und damit Spannungen auslösen.
Wo zum Beispiel?
Etwa in Afrika, wo Wasser und guter Boden knapp werden. Das wird mehr werden durch das Bevölkerungswachstum. Wir brauchen Frühindikatoren für die Konflikte. Und wenn es zu Problemen kommt, muß die Unep auch eingreifen können. Ein gutes Beispiel sind die Waldbrände in Indonesien. Da hätte man sicher die Trockenheit durch El Niño voraussehen können.
Die Unep als globales Technisches Hilfswerk?
Wir brauchen sicher eine Erweiterung des Sicherheitsbegriffs. Umweltschutz ist die Abrüstung der Zukunft. Vor allem in den Mega-Citys wird der Kampf um knappe Ressourcen künftig ein Problem sein. Dort fehlen die Möglichkeiten, Zuwanderer zu integrieren. Die Folge sind Fundamentalismus und Unfriedlichkeiten. Es muß zwar noch genauer geplant werden, aber so etwas wie Grünhelme könnten wir sicher brauchen.
Die Entwicklung der Mega-Citys wird mit viel Geld angetrieben. Welche Steuerungsmöglichkeiten hat die Unep?
Da muß man realistisch bleiben. Ich kann nicht konkurrieren mit den Milliarden der Weltbank. Das Geld wird zur Zeit auch in der UN eher weniger. Aber wir müssen trotzdem die ökologische Dimension mehr einbinden in internationale Entscheidungsprozesse. Und zeigen, wo es sogenannte Win-win- Strategien gibt, die sowohl der Wirtschaft als auch der Umwelt dienen. Dabei können sogar Refinanzierungsmöglichkeiten für die Unep entstehen. Wenn etwa in der Klimapolitik der Handel mit Verschmutzungslizenzen kommt, ist ja die Frage, wer verwaltet das.
Und mehr wollen Sie nicht? Kanzler Kohl hat noch im vergangenen Sommer eine schlagkräftige, einheitliche UN-Umweltorganisation vorgeschlagen.
Eine einheitliche Umweltorganisation ist logisch und folgerichtig. Aber die Forderung, die Umweltprogramme zu einer schlagkräftigen Organisation auszubauen, tragen wir seit mehr als zehn Jahren erfolglos vor uns her. Ich probiere jetzt den umgekehrten Weg. Wenn wir die Siedlungspolitik und das Umweltprogramm in Nairobi haben, dann kann ich die Aufgaben koordinieren. Erheblicher Spielraum besteht auch bei den UN- Umweltkonventionen. Hier kann die Unep wichtige Dienste leisten. Die legale Basis bleibt unverändert. Es ist besser, zunächst vorhandene Spielräume zu nutzen und nicht über eine neue Organisation zu reden.
Ist die Konstruktion tragfähig?
Umgekehrt vorzugehen braucht unheimlich lange. Da müssen die ganzen Gremien darüber entscheiden. Ich mußte schon den kenianischen Außenminister beruhigen. Der machte sich Sorgen. Erst schlägt der Kanzler, der global unstrittig ein ökologisches Profil hat, vor, eine einheitliche Weltumweltorganisation zu gründen. Ein paar Monate später schickt er seinen Minister vor – die denken natürlich, daß das eine abgestimmte Strategie ist. Die Entwicklungsländer fürchten nach wie vor, daß eine starke Umweltorganisation so etwas wie eine Entwicklungsverhinderungsorganisation wird.
„Kompetent und machtlos“ wurden Sie in Ihrer Amtszeit als Umweltminister von Kritikern genannt. Droht Ihnen dieses Schicksal nicht erst recht in der Unep?
Das war schon als Umweltminister mein Problem nicht, also hoffe ich, daß das auch in der Unep nicht so wird. Dennoch: Viele haben mir gesagt, die Chancen der Unep sind sehr gering. Aber es ist eine gewisse Logik in dem, was ich in meinem Leben gemacht habe. Ich habe mich mit dem Erdgipfel in Rio beschäftigt, mit der Städtekonferenz Habitat II, ich habe die Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) geleitet, die den Rio-Prozeß organisieren soll. Und die Probleme sind zwischenzeitlich eher gravierender geworden, dann ist es nur konsequent, daß ich auch diese Herausforderung annehme.
Wo sehen Sie Ihre Widersacher?
Ich will es mal wertneutral sagen: Der Umweltschutz wird immer mehr in andere Bereiche integriert. Die Weltbank bemüht sich stärker, ökologische Konsequenzen zu berücksichtigen. Sie hat inzwischen eine große Umweltabteilung. So ist das auch beim UN-Entwicklungsprogramm (UNDP). Ich habe nichts dagegen, wenn die versuchen, ökologisch durchdachte Konzepte zu entwickeln. Umweltpolitik darf nicht nur am Ende des Schornsteins ansetzen. Doch das bedeutet nicht immer Rückenwind. Die Welthandelsorganisation will natürlich die Umwelthandelspolitik unter ihrer Kontrolle behalten. Da entwickelt sich Konkurrenz.
Ein gutes Maß für Wertschätzung ist ja die Finanzausstattung. Wie steht Unep da?
Wir stehen miserabel da. Die Finanzsituation ist desolat, bei Habitat noch schlimmer. Dabei geht es nicht nur um mehr Gehälter. Wenn man schon in Nairobi sitzt, braucht man wenigstens vernünftige Computer- und Telefontechnik. Selbst daran mangelt es noch.
Aber Sie halten an Nairobi fest.
Ich habe jetzt die ersten vier, fünf Monate in Blick. In denen muß ich mich natürlich erstmal einarbeiten. Bereits im Mai ist in Bratislava die Konferenz über die Artenvielfalt (Biodiversität). Das Sekretariat sitzt in Montreal. Natürlich will ich da nicht nur Zaungast sein. Das Thema ist sehr vermint und schwierig. Also muß ich nach Montreal fliegen und mit den Leuten reden. Außerdem läuft die Vorbereitung für die nächste Konferenz zur Baseler Abfallkonvention, die ist in Malaysia. Ich muß mich fast zwingen, mal in Nairobi zu bleiben. Interview: Matthias Urbach,
Hermann-Josef Tenhagen
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