: Der Müll bleibt liegen
Warnstreik auf Hamburgs Straßen und im Hafen: 3.000 protestieren. Die Müllwerker der Stadt legen den Berufsverkehr lahm ■ Von Kai von Appen
Am Hauptbahnhof war schon um sieben Uhr morgens kaum noch ein Weiterkommen. Einige Autofahrer schienen sich vor lauter Wut auf ihre Hupen zu legen, doch das nützte ihnen wenig. Mit rund 400 Wagen der Stadtreinigung legten Hamburgs Müllwerker und die Männer der Stadtentwässerung den morgendlichen Berufsverkehr lahm und verzichteten einige Stunden lang darauf, den Müll abzuholen. Ganze Straßenzüge rund um das Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof waren blockiert. Überall blinkten gelbe Warnleuchten.
Mehr als 3.000 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes protestierten mit dieser Aktion allein in Hamburg im Vorfeld der Tarifverhandlungen gegen die Blockadehaltung der öffentlichen Unternehmer. „Wenn die Arbeitgeber kein vernünftiges Angebot vorlegen, dann machen weitere Verhandlungen keinen Sinn“, empörte sich Hamburgs ÖTV-Vorsitzender Rolf Fritsch. Und er drohte: „Damit zwingen sie uns, Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen.“
Zu Warnstreiks kam es auch im Hamburger Hafen: Zwei Stunden lang blieben die Klapp- und Hubbrücken für den Schiffsverkehr geschlossen. Den alten Elbtunnel sperrten die Beschäftigten von sieben bis zehn Uhr für den Autoverkehr. In den Morgenstunden kam es zwar zu Staus, das befürchtete Verkehrschaos aber blieb nach Polizeiangaben aus. Zu den Warnstreiks hatten die Gewerkschaften Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) sowie die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) aufgerufen.
Vor dem Gewerkschaftshaus forderte ÖTV-Chef Fritsch die Hamburger Arbeitgebervertreter auf, sich dem Verhandlungsstil und der Verhandlungstaktik des Bundesinnenministers zu widersetzen: „Arroganz und Herrenreiter-Allüren treiben die Tarifparteien in einen Konflikt, der aus den Fugen zu geraten droht.“Arbeitslose und Jugendliche müßten die „bis zur Lächerlichkeit ritualisierten Tarifverhandlungen“im öffenlichen Dienst als „Hohn“empfinden.
Der DAG-Landesverbandsleiter Uwe Grund kritisierte, daß in den letzten sieben Jahren fast 600.000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abgebaut wurden. „Der Bundeskanzler braucht offensichtlich eine Rechenhilfe. Wer die Arbeitslosigkeit halbieren will, muß die Hälfte davon beseitigen, nicht 50 Prozent draufsatteln.“Statt dessen zeigte sich Grund überzeugt: Wer immer höhere Leistungen von den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes verlange, müsse dafür genügend Personal zur Verfügung stellen.
ÖTV und DAG hatten für die Tarifrunde 1998, die heute in Stuttgart fortgesetzt wird, ein Tarifpaket zur Reallohn- und Beschäftigungssicherung sowie zur Übernahme der Auszubildenden in ein festes Arbeitsverhältnis vorgelegt. Das Volumen der Forderungen wird auf 4,5 Prozent beziffert. Die öffentlichen Arbeitgeber verlangen hingegen Kürzungen bei der Lohnfortzahlung sowie bei der Altersversogung. Der Versuch der ÖTV, durch weitere Arbeitszeitverkürzungen „zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Sektor zu schaffen“, scheiterte bereits im Herbst am Widerstand der Bundes- und Landesregierungen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen