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Eine Leiche ist zuwenig

■ Wie verfilmt man einen eigenen Roman? Ohne Respekt vor dem Autor, sagt Ray Loriga und drehte „La pistola de mi hermano“

Einst verkündete ein beliebter Schlager: „Mit siebzehn hat man noch Träume.“ Heute hat man eine Pistole. Oder bereits den ersten Selbstmordversuch hinter sich. Das jugendliche Pärchen, das uns der spanische Regisseur Ray Loriga in seinem Spielfilmdebüt „La pistola de mi hermano“ vorstellt, macht sich keine Illusionen. Dabei scheint es am Ende so, als ob sich die beiden gern welche gemacht hätten.

Doch das Leben ist schlecht – und auch mit einer Menge Dosenbier kann man es sich nicht schönsaufen. Die Jugendrituale haben sich seit Generationen nicht verändert: Rockmusik hören, rumhängen, rauchen – am liebsten direkt neben einem Rauchverbotschild, das wirkt so schön aufmüpfig.

Nur die Orientierungslosigkeit scheint größer denn je: „Ich bin nicht faul, ich habe nur nichts zu tun“, sagt der Held einmal, der Junge mit der Pistole, der sonst nicht viel redet. Dafür spricht dann eines Tages sein Revolver – kurz, laut und sinnlos. Die Flucht mit einer Zufallsgeisel birgt auch eine Liebesgeschichte in sich: geradezu rührend romantisch in ihrer Hilflosigkeit.

Hilflos sind auch die anderen Charaktere: die Mutter, die nichts versteht, und der Kommissar, der allen Leuten mit seinen Eheproblemen auf die Nerven fällt. Loriga inszeniert vor allem Gesprächssituationen oder besser: Monologe, in denen sich die Figuren Gedanken machen über das Leben, die Liebe, Sex und Tod. Die essentiellen Dinge eben. Die Anwesenheit einer zweiten Person verhindert das Selbstgespräch. Da merkt man dem Film dann auch seine literarische Herkunft an: Der Regisseur adaptierte seinen eigenen Roman für die Leinwand – ohne jeden Respekt vor dem Autor übrigens, wie er zur Belustigung des Publikums erzählte.

Lorigas trockener Humor scheint denn auch in seinem Film durch. Denn bei aller Tristesse wirkt „La pistola de mi hermano“ nie larmoyant. Eher lakonisch und manchmal auch ganz schön witzig: Einmal begegnet dem Pärchen auf dem Jahrmarkt eines öden Provinzkaffs eine junge Frau, die ihnen von ihrer Rockband namens „Zwei Leichen“ berichtet. Eigentlich, so erzählt sie, mache sie ja alles ganz alleine, aber: „,Eine Leiche‘, das klingt doch wirklich beschissen.“ Lars Penning

Panorama: Heute, 23.30 Uhr, Filmpalast

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