: Nordirlands Polizeichef beschuldigt IRA
■ Ministerin Mowlam muß jetzt über Ausschluß Sinn Féins von den Friedensgesprächen entscheiden. IRA bestreitet Verantwortung
Dublin (taz) – Der nordirische Polizeichef Ronnie Flanagan hat gestern bekanntgegeben, daß die Irisch-Republikanische Armee (IRA) für die beiden Morde Anfang der Woche verantwortlich sein soll. Am Montag war der Drogenhändler Brian Campbell in Belfast erschossen worden, einen Tag später wurde der Loyalist Robert Dougan im Belfaster Vorort Dunmurray getötet. Forensische Untersuchungen hätten ergeben, daß die Tatwaffe vom Montag bei einem früheren IRA-Mord benutzt worden sei.
Der britische Premierminister Tony Blair informierte seinen irischen Amtskollegen Bertie Ahern sowie US-Präsident Bill Clinton über Flanagans Erklärung. Die beiden Regierungen in London und Dublin müssen nun entscheiden, ob Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, an den Friedensverhandlungen weiterhin teilnehmen darf, die am Montag in Dublin wieder aufgenommen werden.
Der Sinn-Féin-Vorsitzende Mitchel McLoughlin sagte gestern, seine Partei werde um ihren Platz am Runden Tisch kämpfen. Für einen Ausschluß gebe es keinen Grund. Die IRA hatte vorgestern in einer Presseerklärung ihre Beteiligung an den beiden Morden bestritten: der Waffenstillstand sei intakt. „Wir bekräftigen unsere Bereitschaft, ein Klima zu schaffen, das die Suche nach einer demokratischen Lösung durch echte und umfassende Verhandlungen fördert“, hieß es in der IRA-Erklärung.
Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams forderte die wahren Täter auf, sich zu bekennen. Und Mark Durkan von den katholischen Sozialdemokraten meinte, es gebe keine ausreichenden Beweise für die Schuld der IRA. Glynn Roberts von der „Kampagne gegen Terror und Einschüchterung“ wies jedoch darauf hin, daß die Strafaktionen der IRA wieder zugenommen hätten. Am Dienstag war ein 35jähriger Mann durch Knieschüsse verletzt worden. Und Campbell sei bereits der neunte Drogenhändler, den die IRA seit 1994 erschossen habe.
Während die Regierungen gestern noch über Sinn Féins Schicksal berieten, schien die Rückkehr der loyalistischen Ulster Democratic Party (UDP) an den Runden Tisch zum Monatsende beschlossene Sache. Der britische Staatssekretär Paul Murphy verhandelte vorgestern mit der Partei zweieinhalb Stunden lang per Videoverbindung. Die UDP war vorübergehend ausgeschlossen worden, weil ihr bewaffneter Arm im Januar drei Katholiken ermordet hatte. Fraglich ist allerdings, wie der militärische Flügel auf die Ermordung seines führenden Mitglieds Robert Dougan reagiert. In Belfast rechnete man nach Dougans Beerdigung gestern abend mit Racheaktionen. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen