: Cohn-Bendit: Mit Islamisten reden
■ Grüner Europaabgeordneter erneuerte nach der Rückkehr aus Algier seinen Wunsch, die verbotene Heilsfront zu kontaktieren
Bonn (taz) – Daniel Cohn-Bendit hat nach seiner Rückkehr aus Algerien erneut Gespräche mit der verbotenen Islamischen Heilsfront FIS gefordert. Der Europaabgeordnete der Grünen erklärte gestern auf einer Pressekonferenz in Bonn, er halte islamische Fundamentalisten für die Verantwortlichen der Massaker und glaube nicht, daß die Armee daran beteiligt sei. Es sei jedoch notwendig, mit der FIS über ihre Bereitschaft zu reden, den bewaffneten Kampf zu beenden. Er wolle hören, „welchen Beitrag die FIS bereit ist zu leisten, um das Morden zu beenden“.
Die neunköpfige Parlamentariergruppe hatte in Algerien Gespräche mit Vertretern von Politik und Gesellschaft geführt. Die Forderung Cohn-Bendits nach Kontakten mit der FIS hatte bereits in Algier innerhalb der Delegation des Europaparlaments zu Streit und zur Isolation Cohn-Bendits geführt. Deshalb hatte die Tatsache Überraschung ausgelöst, daß auch Cohn-Bendit einem Beschluß der Delegation zugestimmt hatte, einen Brief der FIS an die Abgeordneten ungelesen zu zerreißen.
In Bonn begründete der Politiker diese Entscheidung jetzt damit, daß er die Übergabe des Briefes durch einen Menschenrechtsanwalt für einen „Manipulationsversuch“ der FIS halte. Er habe der Organisation angeboten, mit einem ihrer Vertreter auch von Algerien aus per Satellitentelefon zu kommunizieren. Auf dieses Angebot sei sie nicht eingegangen. Mit dem Brief habe die FIS die Kontaktaufnahme zu Delegierten zu erzwingen versucht, „die das nicht wollten“.
Hinsichtlich der innerstaatlichen Entwicklung in Algerien äußerte sich Daniel Cohn-Bendit vorsichtig optimistisch. Es gebe einige „Ansätze einer demokratischen Öffnung“, darunter auch „eine sich öffnende Medienlandschaft“. So sei eine kontroverse Parlamentsdebatte über die Sicherheitslage im Land live im Fernsehen übertragen worden.
Skeptisch zeigte sich der Abgeordnete dennoch im Blick auf die Chancen für Frieden. Terroristen könnten sehr lange morden. Cohn- Bendit wies darauf hin, daß eine der Ursachen des Konflikts auch in den düsteren Zukunftsaussichten eines großen Teils der Bevölkerung liege: „Terrorismus wird auch produziert durch unsere ökonomische Politik“ und die des Internationalen Währungsfonds (IWF), die nichts für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Algerien tue. Bettina Gaus
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