In Sierra Leone agiert Nigeria ohne Mandat

■ Die Militäraktion ist weder durch die regionale Ecowas noch die UNO abgesichert

Berlin (taz) – Nigeria hat seine Offensive zum Sturz der herrschenden Militärjunta in Sierra Leone erfolgreich beendet. Doch darf das nicht verdecken, daß Nigeria für seine Militäraktion genausowenig ein internationales Mandat hat wie zum Beispiel die USA gegenwärtig für ihre Pläne eines Militärschlags gegen den Irak.

Kurz nach dem Militärputsch, mit dem eine Gruppe junger Offiziere in Sierra Leone am 25.Mai 1997 den gewählten Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah stürzte, hatte Nigeria schon einmal versucht, Kabbah wieder ins Amt einzusetzen. Nigeria, das damals etwa 1.000 Soldaten zur Unterstützung und Ausbildung der Regierungsarmee in Sierra Leone stationiert hatte, unternahm nach einem Hilfeersuchen des geflüchteten Kabbah eine Offensive, die nach wenigen Tagen in einer Niederlage endete. Weil Nigeria in dieser Zeit die Ecowas- Präsidentschaft innehatte, erklärte Nigerias Regierung diese Militäraktion zur Ecowas-Aktion und verstärkte seine Truppen in Sierra Leone durch Einheiten der in Liberia stationierten Ecowas-Eingreiftruppe Ecomog. Mehrere andere Länder der Region schlossen sich dieser Truppenverstärkung an. Aber nichts davon wurde je von der Ecowas formell beschlossen.

Danach berief sich Nigeria bei Androhungen von Gewalt mit Vorliebe auf eine unklar formulierte Resolution der „Organisation Afrikanischer Einheit“ (OAU), die am 4.Juni 1997 Sierra Leones Nachbarstaaten zum Eingreifen aufforderte, ohne dabei die Mittel zu präzisieren. Die Ecowas verstand die OAU-Resolution anders als Nigeria und setzte ein Außenministerkomitee ein, um mit Sierra Leones Junta zu verhandeln. Am 29.August verhängte ein Ecowas-Gipfel Sanktionen gegen Sierra Leone und beauftragte die Ecomog-Truppe mit der Überwachung. Am 23.Oktober vereinbarte das Ecowas-Außenministerkomitee mit der Junta einen Friedensplan, der den Rücktritt der Junta innerhalb von sechs Monaten und die Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Kabbah am 22.April 1998 vorsah. Mitte Dezember kam es bei einem Ecowas-Gipfel in Togo zu einem offenen Streit über die militärischen Alleingänge Nigerias.

Auch die UNO hat Gewaltanwendung in Sierra Leone nie gebilligt. In seiner einziger Resolution zum Thema, der am 8.Oktober verabschiedeten Resolution1132, unterstützt der UN-Sicherheitsrat vielmehr ausdrücklich die Ecowas- Bemühungen „für eine friedliche Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“. Am vergangenen Donnerstag, kurz bevor nigerianische Truppen den Sitz der Junta in Freetown stürmten, rief der UN-Sicherheitsrat zu einer „sofortigen Einstellung der Kämpfe“ auf.

Nach dem Sturz der Junta stellt sich nun die Frage, wie in Sierra Leone wieder Frieden einkehren kann. Der Militärputsch vom Mai 1997 folgte ein halbes Jahr auf ein Friedensabkommen zwischen dem damaligen Präsidenten Kabbah und der Rebellenbewegung „Vereinigte Revolutionäre Front“ (RUF), mit dessen Unterzeichnung am 30.November 1996 ein fünfjähriger Bürgerkrieg beendet werden sollte. Mit der Begründung, der Friedensprozeß werde sabotiert, putschten schließlich Teile der Armee zusammen mit der RUF gegen Kabbah. Nun müßte Kabbah nach seiner bevorstehenden Wiedereinsetzung durch Nigerias Militär eigentlich mit der Umsetzung des Friedensabkommens fortfahren – dessen Bedeutung auch die UN-Resolution 1132 betont.

Das Abkommen sieht neben der Demobilisierung der RUF und der Bildung gemeinsamer Gremien von Regierung und Rebellen auch den Abzug fremder Truppen aus Sierra Leone vor. Strenggenommen müßten die Nigerianer also wieder gehen. Und UN-Generalsekretär Kofi Annan müßte sich daran erinnern, daß er im Januar 1997 die Entsendung einer Blauhelmtruppe zur Überwachung des Friedensabkommens vorgeschlagen hatte. Dominic Johnson